Einführung in die Islamwissenschaft

Einführung in die Islamwissenschaft

von: Peter Heine

De Gruyter Akademie Forschung, 2008

ISBN: 9783050049564

Sprache: Deutsch

233 Seiten, Download: 1925 KB

 
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Einführung in die Islamwissenschaft



9.1 Geschichte der Muslime in Deutschland (S. 131-132)

Muslime kamen als Kaufleute und Diplomaten schon im Früh-Mittelalter nach Deutschland. Auch mag es während der Kreuzzüge des Mittelalters einige wenige Musliminnen als Gefangene oder Nebenfrauen der Kreuzritter nach Deutschland verschlagen haben. Von beiden Gruppen blieben keine Spuren. Anders verhält es sich mit den ,Beutetürken‘, die als Gefangene von deutschen Adeligen aus den ,Türkenkriegen‘ des 17. Jahrhunderts mitgebracht wurden. Da viele von ihnen nach längerem oder kürzerem Aufenthalt getauft wurden, enthalten die entsprechenden Taufücher Berichte über diese Personengruppe. Einige ihrer Nachkommen lassen sich bis in die Gegenwart verfolgen (vgl. Heller 1996, S. 159–167).

Vor allem aber in der materiellen Kultur in Deutschland hinterließ der Islam seine Spuren. Sichtbare Zeichen der islamischen Kultur finden sich vor allem in der Architektur. Schon mittelalterliche Sakralund Profanbauten übernahmen verschiedene architektonische Formen aus dem maurischen Andalusien oder aus dem Gebiet des ,fruchtbaren Halbmonds‘. Verstärkt wurde das sichtbare Interesse am Islam durch die Faszination, die die Märchensammlung von Tausendundeiner Nacht in Deutschland auslöste. Schlösser wie private Häuser wurden vom 17. bis in das 20. Jahrhundert immer wieder in einem orientalisierenden Stil gebaut. Innenräume wurden mit orientalischer Einrichtung möbliert. Orientteppiche wurden importiert, aber auch deutsche Teppichmanufakturen produzierten Bodenbeläge in orientalischem Design. Maler spezialisierten sich auf orientalische Sujets, Künstler verschiedener Schulen und Richtungen verlegten sich auf orientalische Themen (vgl. Lemaire 2000). Nicht in allen Fällen werden im übrigen die orientalischen Vorbilder von jedem Betrachter erkannt. Die architektonischen Bezüge des Bundeskanzleramtes in Berlin zu einer Moschee in Isfahan sind wohl den wenigsten Betrachtern präsent (vgl. Lange 1996, S. 435–459).

All diese Phänomene können aber wohl nur als ein Vorspiel zur Präsenz des Islams in Deutschland betrachtet werden. Gleiches gilt auch für den ersten Ritualort des Islams in Deutschland, den ,mohammedanischen Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Tempelhof. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. hatte 1798 ein Grundstück als Begräbnisplatz für einen verstorbenen osmanischen Diplomaten erworben, der dann im Lauf der beiden folgenden Jahrhunderte zahlreichen muslimischen Toten verschiedener Nationalitäten eine letzte Ruhestätte bot. Für den Bau der zentralen Sehitlik-Moschee (ABBILDUNG 10) wurde dieser Friedhof dann seit 1994 vollständig umgestaltet (vgl. Höpp 2002, S. 9–14).

Eine erste von Muslimen als solche genutzte Moschee in Deutschland entstand während des Ersten Weltkriegs in Wünsdorf südlich von Berlin. Dort waren im sogenannten ,Halbmondlager‘ muslimische Kriegsgefangene der französischen, britischen und russischen Armee konzentriert worden, um sie ihren religiösen Regeln entsprechend versorgen zu können und zu einem ¢bertritt in die Armee des osmanischen Kriegsverbündeten zu bewegen. Diese Moschee wurde bis in die 1920er-Jahre von Muslimen, die sich als Kaufleute, Diplomaten, Studenten oder Asylanten in Berlin aufhielten, genutzt (vgl. Höpp 1996, S. 185–210). Der Holzbau wurde 1930 aufgegeben, nachdem in den 1920er-Jahren in der Brienner Straße in Berlin eine größere, attraktive Moschee im indischen Stil errichtet worden war und die Muslime kein Interesse mehr an der außerhalb der Stadt liegenden Moschee hatten (vgl. Höpp 2002, S. 19–23).

Die Berliner muslimische Gemeinde zählte allerdings nur wenige hundert Mitglieder und litt zunächst unter einer hohen Fluktuation.

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