Die Psychologie des Überzeugens - Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen

Die Psychologie des Überzeugens - Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen

von: Robert B. Cialdini

Hogrefe AG, 2013

ISBN: 9783456951508

Sprache: Deutsch

395 Seiten, Download: 4566 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Die Psychologie des Überzeugens - Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen



1. Kapitel Die Waffen der Einflussnahme

Der Fortschritt der Zivilisation ist abzulesen an der Anzahl der Handlungen, die wir ausführen können, ohne über sie nachzudenken.
Alfred North Whitehead

Eines Tages erhielt ich einen Anruf von einer Freundin, die kurz zuvor einen Laden für indianischen Schmuck eröffnet hatte. Sie brannte darauf, mir von einer verrückten Geschichte zu erzählen, die sich soeben ereignet hatte. Sie war der Meinung, ich als Psychologe müsste in der Lage sein, ihr die Sache zu erklären. Es ging um ein schwer verkäufliches Kontingent von Türkisen. Es war Hochsaison, im Geschäft herrschte ungewöhnlich viel Betrieb, die Steine waren im Verhältnis zum verlangten Preis von hoher Qualität – und dennoch wollte sie niemand kaufen. Meine Freundin hatte eine Reihe der üblichen Verkaufstricks ausprobiert, um die Steine loszuwerden. Sie hatte versucht, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, indem sie sie weiter in die Mitte der Auslagen rückte – Fehlanzeige. Sie wies das Verkaufspersonal sogar an, sie besonders anzupreisen – ebenfalls ohne Erfolg.

Schließlich hinterließ sie eines Abends, bevor sie eine Geschäftsreise antrat, auf einem rasch geschriebenen Zettel eine verzweifelte Mitteilung an ihre leitende Verkäuferin: «Alles in dieser Auslage Preis x 1/2», in der Hoffnung, die Ladenhüter dadurch loszuwerden, und sei es mit Verlust. Als sie ein paar Tage später zurückkehrte, erfuhr sie überrascht, dass alle Artikel verkauft waren. Restlos perplex war sie jedoch, als sie herausfand, dass ihre Angestellte das «1/2» aus ihrer hingekritzelten Nachricht als »2» gelesen hatte und das ganze Kontingent für das Doppelte des ursprünglichen Preises weggegangen war. Und da hatte sie zum Telefon gegriffen und mich angerufen. Ich glaubte zu wissen, was geschehen war, sagte ihr aber, dass sie sich, wenn ich ihr die Sache genau erklären sollte, eine Geschichte von mir anhören müsse. Nun, eigentlich geht es in der Geschichte eher um Truthennen als um mich. Sie entstammt dem Erkenntnisschatz der Ethologie, einer relativ jungen Wissenschaft, die sich mit dem Studium von Tieren in ihrer natürlichen Umgebung befasst. Truthennen sind gute Mütter – liebevoll, aufmerksam und beschützend. Einen großen Teil ihrer Zeit verbringen sie damit, das Junge unter ihrem Körper zu behüten, zu wärmen, zu putzen und zu liebkosen; etwas Merkwürdiges hat ihre Methode jedoch: Praktisch das ganze mütterliche Erziehungsverhalten wird durch einen einzigen Reiz ausgelöst: das «Tschiep-tschiep» der Küken. Andere Merkmale der Küken, wie sie riechen, wie sie sich anfühlen oder wie sie aussehen, spielen anscheinend nur eine untergeordnete Rolle für das Aufzuchtverhalten der Henne. Macht das Küken «tschiep-tschiep», wird es von der Henne bemuttert, wenn nicht, ignoriert sie es, und manchmal tötet sie es sogar.

Wie sehr sich Truthennen auf dieses eine Geräusch verlassen, verdeutlichte drastisch der Tierverhaltensforscher M.W. Fox (1974) in einem Experiment mit einer Truthenne und einem ausgestopften Stinktier. Ein Stinktier ist für die Truthenne normalerweise ein natürlicher Feind, auf dessen Näherkommen sie mit wütendem Kreischen, Hacken und Kratzen reagiert. Sogar ein ausgestopftes Stinktier, das sich, an einem Faden gezogen, auf die Henne zubewegte, wurde in dem Experiment sofort heftig attackiert. Wenn jedoch dieselbe Attrappe über ein eingebautes Tonbandgerät das «Tschiep-tschiep» der Küken produzierte, ließ die Henne das auf sie zukommende Stinktier nicht nur in Ruhe, sondern nahm es sogar unter ihre Fittiche. Sobald man das Tonbandgerät abstellte, wurde die Attrappe erneut Opfer eines zornigen Angriffs.

«Klick, surr»

Was für einen lächerlichen Eindruck macht eine Truthenne unter solchen Bedingungen! Sie nimmt sich liebevoll eines ihrer natürlichen Feinde an, nur weil er «tschiep-tschiep» macht, und vernachlässigt oder tötet gar eines ihrer Küken, nur weil es das nicht tut. Sie handelt wie ein Automat, dessen mütterliche Instinkte völlig der automatischen Kontrolle durch dieses einzige Geräusch unterliegen. Von den Ethologen erfahren wir, dass so etwas keineswegs nur bei Truthennen vorkommt. Sie haben regelhafte, blind mechanische Handlungsmuster inzwischen bei einer großen Vielfalt von Arten identifiziert. Diese festen Handlungsmuster (fixed-action patterns) können in komplexen Verhaltensabläufen wie vollständigen Werbungsoder Paarungsritualen bestehen. Ein grundsätzliches Merkmal solcher Muster besteht darin, dass die Verhaltensweisen, aus denen sie zusammengesetzt sind, jedes Mal in praktisch der gleichen Form und Reihenfolge ablaufen. Es kommt einem so vor, als wären die Muster auf Bändern in die Tiere eingespeichert. Wenn eine Situation Paarungsverhalten erfordert, wird das Band «Paarungsverhalten» abgespielt, für die Situation «Aufzucht von Jungtieren» liegt das Band «Aufzuchtverhalten» bereit und so weiter. «Klick» – und das entsprechende Band startet, «surr» – und die standardisierte Verhaltensabfolge spult sich ab.

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