Psychologie der Kreativität - Divergentes Denken und Handeln in Forschung und Praxis

Psychologie der Kreativität - Divergentes Denken und Handeln in Forschung und Praxis

von: Günter Krampen

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2019

ISBN: 9783840929823

Sprache: Deutsch

669 Seiten, Download: 5109 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Psychologie der Kreativität - Divergentes Denken und Handeln in Forschung und Praxis



2 Strategien und Zugänge der Kreativitätsforschung: Methodologie

Überblick

In Kapitel 2 wird ein Überblick zu den Forschungszugängen und -strategien der psychologischen Kreativitätsforschung gegeben, wobei auf allgemeine methodische und methodologische Grundlagen der Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie, der kulturvergleichenden und angewandten Psychologie sowie der Untersuchungsplanung zurückgegriffen wird. Im Vordergrund stehen die in der bisherigen Kreativitätsforschung dominierenden Ansätze. Auf andere, bislang in der Kreativitätsforschung nicht oder kaum realisierte Zugänge (wie etwa den idiothetischen Forschungszugang) und Strategien (wie etwa sequenzanalytische und kulturvergleichende Forschungsstrategien) wird ergänzend eingegangen, da in ihnen wesentliche Entwicklungspotenziale für die künftige Kreativitätsforschung liegen.

Dabei geht es gleichermaßen um die Methodologie (als die Theorie von den Methoden) wie auch das Methodenrepertoire (die Methodik oder Methodenlehre) der psychologischen Kreativitätsforschung. Kapitel 2.1 wendet sich mit den unterschiedlichen differenzialpsychologischen Forschungszugängen zur Thematik der Kreativität einer methodologischen Grundfrage zu, von deren Beantwortung weitreichende Konsequenzen für die Auswahl der konkreten Erhebungs-, Interventions- und Forschungsmethoden sowie die ihrer methodologischen Beurteilungskriterien (wie Objektivität, Reliabilität und Validität) abhängen.

In Kapitel 2.2 stehen dann die konkreten Forschungsstrategien im Vordergrund, wobei sowohl auf solche, die vor allem in der Grundlagenforschung, als auch auf solche, die vor allem in der angewandten Forschung eingesetzt werden, eingegangen wird. Beide Aspekte, der Zugang und die Strategie, sind in der Planungsphase der psychologischen Forschungspraxis frühzeitig zu reflektieren, da sie sich auf „Grundsatzentscheidungen“ (Selg, Klapprott & Kamenz, 1992, S. 40) beziehen. Das gleiche gilt – wenngleich mit einigen Abstrichen im Bereich der Strategien – auch für die psychologische Anwendungspraxis (etwa in der Psychodiagnostik und Intervention), auf jeden Fall aber – und ohne jeden Abstrich – für die angewandte psychologische Forschung.

2.1 Forschungszugänge In Kapitel 1.1 wurde bereits ausgeführt, dass in der vorliegenden Arbeit die Position vertreten wird, dass Kreativität nicht alleine unter dem Aspekt kultureller (künstlerischer und wissenschaftlicher) Höchstleistungen, sondern auch im Sinne einer kontinuierlichen differenzialpsychologischen Variable zu analysieren ist, die als Merkmal prinzipiell bei allen Individuen vorhanden ist und in ihrer jeweiligen Ausprägung unter Beachtung ihrer situativen Randbedingungen psychometrisch erfasst werden kann. Damit sind die für die bisherige Kreativitätsforschung zentralen Forschungszugänge bereits implizit benannt: Kreativität in Form kultureller Höchstleistungen lässt sich letztlich nur idiographisch (d. h., das Einmalige, das Singuläre beschreibend) über die Betrachtung spezifischer Biografien oder Werke erfassen, nicht aber über psychometrische Verfahren zum divergenten Denken und Handeln, die lediglich eine der Voraussetzungen für derartige Höchstleistungen sind (vgl. Kap. 3.1).

Nach dem nomothetischen Forschungszugang wird dagegen zunächst – im ersten Schritt – vom Einmaligen zugunsten der Suche nach allgemein gültigen Gesetzmäßigkeiten (oder Beschreibungsdimensionen bzw. Konstrukten) abgesehen. Im zweiten Schritt (d. h., nach der Identifikation allgemein gültiger Gesetze oder Konstrukte) wird im nomothetischen Zugang dann das Einmalige (d. h. das einzelne Individuum) anhand seiner spezifischen Merkmalsausprägungen in die größere Gruppe der Individuen (die „Mengen einzelner Persönlichkeiten“; Herrmann, 1972, S. 47) eingeordnet. Beide Forschungszugänge sind von allgemeinerer, über die Kreativitätsforschung hinausgehender persönlichkeitspsychologischer Bedeutung, da sie sich auf alle differenzialpsychologischen Konstrukte beziehen lassen (auf das der Kreativität aber im Sinne eines prototypischen Anwendungsbeispiels besonders gut).

Der idiographische und der nomothetische Forschungszugang müssen sich nun nicht a priori ausschließen. Dies wird in Teilen der Fachliteratur zwar suggeriert und häufig mit dem inzwischen in der (zwar kurzen) Psychologiegeschichte wirklich uralten, aber anscheinend nicht veralteten „Methodenstreit“ (K. Bühler, 1927; Wellek, 1959; Preiser, 1982) um die Frage nach der Angemessenheit qualitativer versus quantitativer Methoden in der Psychologie verbrämt. Sinnvoller ist eine ergänzende Verwendung idiographischer und (nicht versus!) nomothetischer Forschungszugänge sowie qualitativer und (nicht versus!) quantitativer Forschungsmethoden. Dadurch können die jeweiligen Vorzüge genutzt sowie die jeweiligen Nachteile der Forschungszugänge und -methoden am ehesten kompensiert werden, um zu möglichst guten (objektiven, reliablen und validen) Realitätsrekonstruktionen zu gelangen. Fallweise ist dann zu entscheiden, wo und wie man ansetzt (vgl. Kasten).

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