Entrepreneurship in der Gesundheitswirtschaft - Sachlage, Trends und Ausblicke

Entrepreneurship in der Gesundheitswirtschaft - Sachlage, Trends und Ausblicke

von: Volker B. Schulte, Arie Hans Verkuil

Hogrefe AG, 2019

ISBN: 9783456957272

Sprache: Deutsch

216 Seiten, Download: 4709 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Entrepreneurship in der Gesundheitswirtschaft - Sachlage, Trends und Ausblicke



3 Nachfolgeregelung bei Arztpraxen: Probleme und Lösungsansätze

Ueli Zehnder, Bernhard Schaller, Nora Sandu und Gaby Baller

3.1 Situation der Hausarztmedizin

Wenn von Nachfolgeproblemen im Medizinalbereich gesprochen wird, geht es gemeinhin um die Problemstellungen der Grundversorger. Auch wenn einzelne Spezialisten aus dem ambulanten Bereich Mühe mit der Nachfolgersuche bekunden, kann generell festgehalten werden, dass sich die medizinische Unterversorgung in der Schweiz vor allem im Bereich der Grundversorger akzentuieren wird. In der Dissertation von Pierina Claudia Merlo mit dem Titel „Workforce Studie 2015“ wird klar festgehalten, dass bis 2025 rund 5000 Hausärztinnen und Hausärzte fehlen werden, um den aktuellen Versorgungsstand zu halten (Merlo, 2016, S. 2). Dass in der Schweiz eine Überversorgung durch Hausärzte herrscht, ist ein in den Populärmedien breit vermittelter Irrtum. Die OECD hält fest, dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine eher geringe Versorgung (Merlo, 2016, S. 16) mit Grundversorgern hat. Entsprechend ist klar, dass in der Schweiz einerseits mehr Mediziner mit dem Berufsziel „Grundversorger“ ausgebildet und andererseits neue Modelle entworfen und entwickelt werden müssen, um weiterhin eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit medizinischer Grundbetreuung sicherzustellen. Da der Numerus Clausus von der Politik definiert wurde und mit seiner Abschaffung zeitnah nicht zur rechnen ist, muss davon ausgegangen werden, dass die prognostizierte Unterversorgung eintreten wird. Selbst bei sofortiger Abschaffung des Numerus Clausus wäre aufgrund der Ausbildungsdauer von mindestens elf Jahren vom Studienbeginn bis zur Absolvierung der Facharztprüfung zumindest kurzfristig ebenfalls mit einer massiven Unterversorgung zu rechnen, da der Berufseintritt der neu ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte nicht vor 2029 zu erwarten ist.

Andererseits zeichnet sich ab, dass aufgrund der Zahlen zur Facharztberufswahl ein Ungleichgewicht von Hausärzten/Grundversorgern und gewissen Facharztrichtungen entstehen wird. Wenn es der Politik und den Standesorganisationen gelingt, mit Tarifanpassungen oder anderen Anreizen das schon bestehende Ungleichgewicht auszugleichen, so würden sich auch die Verhältnisse in den „Mangelsektoren“ sicher wieder verbessern. Die im Sommer 2016 gescheiterte Revision des TARMED lässt aber jegliche Hoffnung auf eine rasche Veränderung des Status quo verblassen.

Wie begegnet nun die Praxis diesem spezifischen Mangel an Fachkräften und Nachfolgern? Ein großmehrheitlicher Teil der befragten Praxisinhaber gab im Rahmen der Workforce-Studie an, mit Nachfolgeproblemen zu kämpfen. Zudem stieg der Anteil der über 60-jährigen Grundversorger, die bereit oder gezwungen sind, bis zum 70. Lebensjahr weiter zu praktizieren, gegenüber vergleichbaren Befragungen in den letzten zehn Jahren massiv an. Kurzfristig wird also ein Teil des sich anbahnenden Fachkräftemangels durch den Verbleib von bereits langjährig praktizierenden Ärzten kompensiert. Zudem wurden erste Bemühungen zur Effizienzsteigerung und Kooperation festgestellt. Während die Zahl der „klassischen“ Einzelpraxen um rund ein Drittel zurückging, hat sich die Zahl der gegründeten Gruppenpraxen verdreifacht. Junge Hausärztinnen und Hausärzte bilden neue Gruppenpraxen oder schließen sich solchen an, ihre älteren Kollegen gründen teils eigene, neue Organisationen oder schließen sich bestehenden Gruppierungen an. Zudem haben einzelne „Großunternehmer“ vor allem im städtischen Bereich begonnen, große Versorgungszentren aufzubauen, teils auch in Form von „Permanencen“ mit erweiterten Öffnungszeiten oder der Möglichkeit der Konsultation ohne Voranmeldung. Solche Großpraxen werden von Krankenversicherern, Kliniken und privaten Investoren betrieben und bieten vor allem im bereits gut abgedeckten urbanen Umfeld eine Bereicherung des Angebots. Ob solche Konzepte aber in ländlichen Gebieten von wirtschaftlichem Erfolg gesegnet sein werden, ist schwer zu bezweifeln, daher kann in ihnen wohl kaum die Lösung des grundsätzlichen Versorgungsproblems gesehen werden.

Ein weiteres Problem der Grundversorgung wird zudem unabwendbar wachsen: Aufgrund der demographischen Struktur der Schweiz werden immer mehr pensionierte Personen immer weniger Arbeitstätigen gegenüberstehen. Nebst den allgemeinen medizinischen Problemstellungen der steigenden Lebenserwartungen werden finanzielle und kommunikative Fragestellungen auf die gesamte Gesellschaft zukommen, die sich gerade in der Medizin akzentuieren werden. Wie soll mit dem knappen Gut „medizinische Versorgung“ umgegangen werden? Sollen alle Patientinnen und Patienten alle Therapien angeboten bekommen, unabhängig vom Alter? Welche Anfahrtswege können den Patienten zugemutet werden? Besteht ein Recht auf einen Haus- oder Heimbesuch? Viele dieser Fragen liegen weit außerhalb der Einflusssphäre des praktizierenden Arztes, werden aber seine Arbeit täglich prägen. Dies wird nicht unbedingt dafür sorgen, dass der Beruf des „Hausarztes“ in Zukunft attraktiver wird.

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen aus ökonomischer Sicht die Nachfolgeproblematik der klassischen Grundversorgerpraxis angegangen werden kann, welche Mittel und Instrumente dafür nötig sind und wo allenfalls „klassische“ Stolpersteine liegen.

3.2 Situation der übrigen Praxen

Auch wenn einige Spezialisten außerhalb der Grundversorgung über Probleme bei der Nachfolgersuche berichten, ist dies wohl eher auf persönliche oder standortbezogene Fragestellungen zurückzuführen. Solange der Zulassungsstopp (z. Zt. bis 2019 beschlossen) den Status quo bewahrt und im TARMED für die spezialärztlichen Leistungen nicht extreme Anpassungen nach unten veranlasst werden, ist mittelfristig keine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu erwarten. Allenfalls können von Spitälern und Kliniken betriebene Ambulatorien – gerade in schon sehr gut versorgten Zentren – für weitere Konkurrenz sorgen. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass es für spezialärztliche Praxen weniger Probleme geben wird, einen oder mehrere geeignete Nachfolger bzw. Nachfolgerinnen zu finden. Jedoch zeichnet sich ab, dass bei den für die Praxen bezahlten Preisen eine gewisse Abflachung zu bemerken ist. Insofern können die Ausführungen und Empfehlungen in diesem Beitrag auch für die Inhabenden von Facharztpraxen relevant sein, da eine entsprechend aufgestellte und organisierte Praxis wohl einen besseren Preis erzielen wird als eine Praxis, in deren Entwicklung seit Jahren keine Energie mehr geflossen ist.

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