Brain Rules fürs Älterwerden - Lebensfroh, vital und geistig fit bleiben

Brain Rules fürs Älterwerden - Lebensfroh, vital und geistig fit bleiben

von: John Medina

Hogrefe AG, 2019

ISBN: 9783456958989

Sprache: Deutsch

304 Seiten, Download: 5397 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Brain Rules fürs Älterwerden - Lebensfroh, vital und geistig fit bleiben



Soziale Kontakte sind Vitamine für das Gehirn

Sie werden kaum jemanden finden, der sozial so aktiv und geistig so rege war wie die Millionenerbin und Kunstmäzenin Brooke Astor. Sie gehörte zur New Yorker High Society und war mit einem Mann verheiratet, dessen Vater auf der Titanic ums Leben gekommen war. Zusammen mit drei ihrer engsten Freundinnen, der Modejournalistin Eleanor Lambert, der ehemaligen Opernsängerin Kitty Carlisle und der Designerin Pauline Trigère, absolvierte Brooke ein gesellschaftliches Programm, für das sie mindestens viermal am Tag die Garderobe wechseln musste: Lunch in einem Café in Downtown Manhattan, dann eine Vorstandssitzung im Museum of Modern Art (sie war eine Kuratorin), dann ein abendliches Konzert in der Carnegie Hall, gefolgt von einem Benefizdinner, einem Mitternachtscocktail und dem Aufbruch im Blitzlichtgewitter der Paparazzi. Brookes Tagesprogramm (und das ihrer Freundinnen) hielt gut ein Dutzend persönlicher Assistenten auf Trab und war umso erstaunlicher, wenn man das Alter des fröhlichen Kleeblatts bedenkt: Im Jahr 2000 war Kitty, die jüngste der Vier, gerade neunzig geworden, Pauline war einundneunzig, Eleanor sechsundneunzig, und Brooke war achtundneunzig Jahre alt.

Hatten ihr hohes Alter, ihre sozialen Aktivitäten und ihre geistige Frische etwas miteinander zu tun? Ältere Partygänger werden sich über die Antwort freuen, denn sie lautet unumwunden: Ja! Soziale Interaktionen wirken wie Vitamine und Mineralstoffe auf das alternde Gehirn und sind ungemein nützlich. Selbst soziale Kontakte über das Internet wirken sich positiv aus.

Die Studien, die das gezeigt haben, sind wissenschaftlich fundiert und wurden von Fachleuten überprüft. (In der Fachsprache nennen wir das „peer-reviewed“.) Sie haben eine solide Korrelation zwischen sozialen Interaktionen und kognitiven Fähigkeiten festgestellt. Ein Beispiel: Bryan James, Epidemiologe am Rush Alzheimer’s Disease Center in Chicago, hat die kognitiven Funktionen und sozialen Interaktionen von 1400 Senioren mit Demenz untersucht. Zunächst beurteilte er ihre soziale Interaktivität; anschließend maß er über einen Zeitraum von zwölf Jahren den allgemeinen kognitiven Abbau der Probanden. Bei der Gruppe, die am meisten soziale Kontakte pflegte, war die Rate des kognitiven Abbaus um 70 Prozent geringer als bei der Gruppe mit den wenigsten sozialen Kontakten.

Andere Wissenschaftler, die sich auf bestimmte kognitive Funktionen konzentrierten, kamen zu dem gleichen Ergebnis. In einer bekannten Studie mit sage und schreibe 16 000 Teilnehmern wurde sechs Jahre lang die Gedächtnisleistung von sozial isolierten Personen mit der von geselligen Personen verglichen. Unter den Brooke-Astor-Typen war der Anteil der Probanden mit abnehmender Gedächtnisleistung halb so groß wie bei den Probanden, die abgeschottet lebten. Zahlreiche weitere Studienergebnisse bestätigten eine robuste Korrelation zwischen sozialen Interaktionen und kognitiver Gesundheit.

Noch vielversprechender war eine andere Gruppe von Studien, die nicht nur die Korrelation, sondern auch die Ursache unter die Lupe nahm. Zunächst wurde die Kognition der Probanden vor der Intervention gemessen. Dann fand eine Form von sozialer Interaktion statt, und anschließend wurde die Kognition erneut gemessen und mit dem Ausgangswert verglichen. In einer Studie hatte die Intervention eine beträchtliche Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der Leistung des Arbeitsgedächtnisses zur Folge – und das nach gerade mal zehn Minuten sozialer Interaktion. Daten, die soziale Kontakte mit verbesserter Gehirnleistung in Verbindung bringen, sind ausgesprochen beständig. Die Interaktionen müssen nicht in Langzeitbeziehungen erfolgen, und es ist auch nicht entscheidend, wie viele Freunde man hat. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von „positiven sozialen Interaktionen“ (die im Allgemeinen mit der Ausschüttung von Dopamin im Gehirn assoziiert sind), „negativen sozialen Interaktionen“ (bei denen – in Reaktion auf den Stress – Hormone wie Katecholamine und Glucocorticoide freigesetzt werden) und „sozialem Austausch“ beziehungsweise „Interaktivität“. Ich verwende hier häufiger den Begriff „Beziehung“, weil er freundlicher klingt. Aber wenn Sie positive soziale Interaktionen haben – ganz gleich, ob intensiv oder kurz, ob mit einer Person oder mit einem Dutzend –, steigert das die nutzbringende Wirkung.

Und was ist mit der digitalen Welt? Müssen soziale Interaktionen unbedingt von Angesicht zu Angesicht stattfinden? Forscher haben schon vor geraumer Zeit erkannt, dass das Internet geeignet sein könnte, um sozial isolierten älteren Menschen, die nicht mehr so mobil sind, Interaktionen mit anderen zu ermöglichen. Die Erfindung von Video-Chats bot eine hervorragende experimentelle Plattform: Konnten Menschen, die zunehmend ans Haus gebunden waren, von der neuen Technik profitieren?

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