Forschungsmethoden der Psychologie

Forschungsmethoden der Psychologie

von: Hans-Werner Bierhoff, Franz Petermann

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783840921834

Sprache: Deutsch

406 Seiten, Download: 5477 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Forschungsmethoden der Psychologie



bjektives Wissen Als objektiv lässt sich Wissen dann kennzeichnen, wenn es auf Daten beruht, die intersubjektiv überprüfbar sind, und wenn es diese Daten angemessen repräsentiert. Unter intersubjektiver Überprüfbarkeit ist Folgendes zu verstehen: Der Versuchsablauf und die Datenerhebung werden genau und bis ins Detail festgelegt und dokumentiert. Dadurch wird eine 100%ige Replizierbarkeit des Ablaufs gewährleistet. Beobachtungen können von unterschiedlichen Forschern unabhängig voneinander nach dem gleichen standardisierten Schema kodiert werden, sodass ihre besondere Erfassung nicht an einer Person hängt, sondern in unterschiedlichen Forschungseinrichtungen wiederholbar ist. Die intersubjektive Überprüfbarkeit ist dementsprechend hoch.

Der Ausdruck objektives Wissen kann auch so verstanden werden, dass die Wissensinhalte, die als objektiv gekennzeichnet sind, sichere oder wahre Tatbestände darstellen. Es kann durchaus sein, dass solche Tatbestände existieren. Allerdings kann die Forschung sich diesen Tatbeständen immer nur approximativ nähern. In der subjektiven Bewertung der Verlässlichkeit des objektiven Wissens verbleibt immer noch eine Spur der Unsicherheit, da die Forscher ihre Hypothesen nicht endgültig verifizieren können (siehe unten).

Die Urteile von Forscherinnen und Forschern über den Grad der Bewährung einer Hypothese sind immer nur vorläufig. Vielfach wird auch argumentiert, dass sie eine subjektive Komponente enthalten (siehe unten). Diese kommt z. B. darin zum Ausdruck, wie groß die Wahrscheinlichkeit der Hypothese vor der Sammlung neuer Evidenz eingeschätzt wurde. Vernunftbegabte Forscher werden eine bis dato sehr gut bewährte Hypothese nicht vollständig aufgeben, nur weil in einem Labor in Knoxville oder in Klagenfurt eine Studie durchgeführt wurde, die (scheinbar) die Hypothese widerlegt.

Unter Daten versteht man Merkmalsausprägungen auf bestimmten Merkmalsdimensionen, die einer Untersuchungseinheit zugeordnet sind (Mayntz, Holm & Hübner, 1978) . Daten sind also durch das Bezugssystem aus Untersuchungseinheit, Merkmalsdimension und Merkmalsausprägung definiert (vgl . folgenden Kasten) . Daten = Merkmalsausprägungen auf bestimmten Merkmals-dimensionen
Eine Variable kann unterschiedliche Merkmalsausprä-gungen aufweisen

Was sind Daten? Die Merkmalsdimensionen werden durch Variablen abgebildet. Eine Variable ist im Unterschied zu einer Konstanten dadurch gekennzeichnet, dass sie unterschiedliche Merkmalsausprägungen aufweisen kann. Ein Beispiel ist die Messung von Narzissmus, Extraversion und Verträglichkeit bei einer Stichprobe von 100 Studierenden. Für jeden Teilnehmer, der als Untersuchungseinheit fungiert, werden auf den drei Merkmalsdimensionen die Merkmalsausprägungen eingetragen, die sich aus der Beantwortung der Fragebögen zur Messung von Narzissmus, Extraversion und Verträglichkeit ergeben haben. Diese Daten werden üblicherweise in Tabellen dargestellt, in denen z. B. drei Spalten für die drei Merkmale und 100 Zeilen für die Untersuchungseinheiten enthalten sind. Die Bezeichnung „Untersuchungseinheiten“ wurde absichtlich neutral gewählt. Oft sind damit Personen gemeint, es kann sich aber auch um Schimpansen oder Vögel handeln, oder auch Gruppen von Personen oder Wochen eines Jahres bzw. Jahre eines Jahrzehnts.

Letztere werden z.B. in Cross-Temporal-Metaanalysen verwendet (siehe unten). Wenn man die Daten in ein Datenverarbeitungsprogramm wie SPSS eingibt, bilden die Untersuchungseinheiten die Zeilen und die Merkmalsdimensionen die Spalten der Datenmatrix. Die Merkmalsausprägungen der Untersuchungseinheiten auf den Merkmalsdimensionen stehen in den Zellen der Datenmatrix.

Warum wird überhaupt nach objektivem Wissen gesucht? Zum einen spielt die wissenschaftliche Neugier eine große Rolle, also der Wunsch, mehr über die Menschen und die Welt, in der wir leben, zu erfahren . Dem liegt häufig eine Warum-Frage zugrunde .

Ein Beispiel für eine spannende Warum-Frage lautet: Warum kommen Narzissten anfänglich gut bei neuen Gesprächspartnern an, während sie langfristig auf Ablehnung stoßen? Diese Warum-Frage lässt sich in eine Hypothese überführen:

Narzissmus wirkt sich unterschiedlich auf die Frühphase und die spätere Phase einer Beziehung aus: Während hoher Narzissmus (im Vergleich zu niedrigem Narzissmus) in der Frühphase mit hoher sozialer Akzeptanz durch die Gesprächspartner zusammenhängt, ergibt sich in der späteren Phase der umgekehrte Zusammenhang, weil hoher Narzissmus mit geringer sozialer Akzeptanz zusammenhängt.

Diese Hypothese zeigt schon, dass psychologische Hypothesen typischerweise nicht trivial sind, sondern oft wegen ihrer Kreativität aufhorchen lassen (vgl . Kapitel 1 .5) .

Bei der Suche nach objektivem Wissen geht es zum anderen aber auch darum, dass psychologische Erklärungen die Ursachen von individuellen und sozialen Problemen betreffen . Sie gestatten, wenn sie sich empirisch bewähren, Prognosen, die eine potenziell gewinnbringende Anwendung des psychologischen Wissens ermöglichen (siehe unten) .

Im Folgenden wenden wir uns der Forschungslogik zu, die geeignet ist, die Forscher auf dem Weg zu objektivem Wissen über die Welt voranzubringen . Dabei spielen Gesetze eine zentrale Rolle . Unter Gesetzen versteht man die gut bewährten Aussagen einer Wissenschaft . Sie lassen sich als Wenn-dann-Sätze formulieren . Die meisten Aussagen über Wenn-dann-Beziehungen, die aktuell überprüft werden, sind noch nicht so gut bestätigt, dass sie den Status eines Gesetzes einnehmen könnten . Dann spricht man besser von einer Hypothese, für die viel spricht, die aber noch in empirischen Tests weiter geprüft werden muss . So stellt z .B . die Annahme von der globalen Erwärmung eher eine Hypothese als ein Gesetz dar (Silver, 2012) . Genauso lässt sich konstatieren, dass viele Wenn-dann-Aussagen in der Psychologie als Hypothesen betrachtet werden, die in der Forschung schrittweise geprüft werden .

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