Das politische System Deutschlands. Institutionen, Willensbildung und Politikfelder

Das politische System Deutschlands. Institutionen, Willensbildung und Politikfelder

von: Manfred G. Schmidt

C.H.Beck, 2007

ISBN: 9783406547379

Sprache: Deutsch

553 Seiten, Download: 1810 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Das politische System Deutschlands. Institutionen, Willensbildung und Politikfelder



Kapitel 2 Wahlrecht und Wahlsystem (S. 43)

Demokratie ist, so die viel zitierte Definition des US-amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln aus dem Jahre 1863, «government of the people, by the people, and for the people» – eine Regierungsweise des Volkes, durch das Volk und für das Volk.

So eingängig diese Definition ist, so wirft sie doch Fragen auf. Wer gehört zum Volk? Die gesamte Bevölkerung oder nur ein Teil von ihr? Wie soll das Regieren durch das Volk vonstatten gehen, direkt- oder repräsentativdemokratisch? Und wie soll schließlich das Regieren für das Volk verwirklicht werden?

1. Wahlberechtigung und Wahlalter

Im antiken Griechenland, wo die Demokratie vor rund zweieinhalbtausend Jahren erfunden wurde, gehörte nur ein Bruchteil der Erwachsenen zu den Vollbürgern: in der Regel jeder siebte, bestenfalls jeder vierte. Vollbürger waren ausschließlich waffenfähige Männer, die väterlicher- und mütterlicherseits aus seit langem ortsansässigen Familien stammten.

Von der Vollbürgerschaft ausgeschlossen waren die Frauen, die vielen Sklaven und die zahlreichen Metöken, die mit Niederlassungsrecht versehenen zugewanderten «Mitwohner», unter ihnen Aristoteles. Diese Inklusions- und Exklusionsregeln könnten aus heutiger Sicht als Zeichen einer hochgradig «defekten Demokratie» gewertet werden. Doch auch in den Demokratien der Gegenwart war zunächst nur ein Teil der erwachsenen männlichen Bevölkerung wahlberechtigt.

Erst im 20. Jahrhundert wurde das Wahlrecht allen erwachsenen Staatsbürgern zuteil. Dabei breitete sich das Wahlrecht von den begüterten zu den weniger begüterten Schichten aus, von den Männern zu den Frauen und von den Über-20-Jährigen zu den Unter-20-Jährigen. So war das auch in Deutschland.

Im Deutschen Reich von 1871 waren zunächst nur Männer wahlberechtigt. Erst in der Weimarer Republik, also rund 50 Jahre später, gehörten alle Staatsbürger ab einer bestimmten Altersstufe zum Kreis der Stimmberechtigten, gleichviel ob Mann oder Frau, ob arm oder reich. So regelt es auch das Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland für Bundestags-, Landtags-, Kommunal- und Europawahlen.

Doch ab welcher Altersstufe zählt ein Bürger als politisch teilhabeberechtigt und -fähig? Auch diese Altersgrenze ist je nach Regime verschieden und kann beim aktiven und passiven Wahlrecht unterschiedlich geregelt sein. Im Deutschen Reich von 1871 war das Wahlalter bis 1918 auf 25 Jahre festgesetzt. In der Weimarer Republik hingegen lag es beim aktiven Wahlrecht bei 20 Jahren und beim passiven Wahlrecht, der Wählbarkeit in ein öffentliches Amt, bei 25.

In der Bundesrepublik Deutschland hatte der Gesetzgeber das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Bundestagswahlen zunächst auf 21 Jahre festgeschrieben und für das passive Wahlrecht ebenfalls auf 25. Im Jahre 1970 setzte die sozial-liberale Koalition (1969–82) auf dem Wege einer Verfassungsänderung mit den Stimmen der Opposition das Wahlalter herab. Seither ist wahlberechtigt und wählbar, wer das 18.Lebensjahr vollendet hat.

2. Das Wahlsystem bei Bundestagswahlen

Das Wahlalter bei Bundestagswahlen ist im Grundgesetz festgeschrieben (Artikel 38 II GG). Ferner regelt die Verfassung die Grundsätze der Wahl von Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Die Abgeordneten sind «in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl» zu wählen (Artikel 38 I GG). Nicht zulässig ist demnach eine beschränkte, mittelbare, unfreie und ungleiche Wahl.

Kategorien

Service

Info/Kontakt