Digital human - Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf)

Digital human - Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf)

von: Bettina Volkens, Kai Anderson

Campus Verlag, 2017

ISBN: 9783593426730

Sprache: Deutsch

248 Seiten, Download: 3494 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Digital human - Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf)



Vorwort Digitalisierung braucht ein Versprechen Von Christoph Keese, geschäftsführender Gesellschafter, Axel Springer hy Deutschland wird seinen Rückstand erst aufholen, wenn die Menschen erfahren, dass die digitale Revolution sie nicht bedroht, sondern sich für sie lohnt. Eine Erschütterung geht durch die Welt, wie Menschen, die heute arbeiten, sie noch nie erlebt haben. Erschüttert wird ihr Vertrauen in die Zukunft, in ihre eigene Kraft, in ihre Fähigkeit, sich selbst und ihre Familie zu ernähren. Erschüttert wird ihr Bild vom eigenen Wert und vom eigenen Platz in der Gesellschaft. Wenn Anerkennung, Sicherheit und Geborgenheit zentrale Bedürfnisse des Menschen sind, dann erleben viele Menschen gerade in ihnen eine Kränkung. Denn wenn die Digitalisierung wahr macht, was sie androht, dann entzieht sie uns Anerkennung für unser Können, raubt uns die Sicherheit unserer Lebensgrundlage und wirft uns aus der Geborgenheit der mühsam aufgebauten wirtschaftlichen Existenz in das kalte Vakuum immer neuer Fragwürdigkeiten. Für die meisten Menschen bricht mit der nächsten Entwicklungsstufe der Digitalisierung ein Zeitalter der Verunsicherung an. Bislang kennen sie die Digitalisierung nur als Füllhorn praktischer Gerätschaften wie Smartphones und hilfreicher Programme wie Facebook, Google und Booking.com. Nun aber - in der nächsten Stufe - erfahren sie mit einem Mal am eigenen Leib, dass es keine Revolutionen ohne Rückwirkungen auf den Revolutionär gibt, auch keine technischen Revolutionen. Die meisten Menschen werden in ihrer Eigenschaft als Produzenten eingeholt von den Folgen des wirtschaftlichen Umsturzes, den sie als Konsumenten selbst mit ausgelöst haben. Ob diese Revolution ihre Enkel und Urenkel frisst, bleibt noch dahingestellt, doch dass sie ihre Kinder schon zwischen den Zähnen hat, daran besteht kein Zweifel mehr. 'Ihr müsst euch ändern. Ihr müsst die Digitalisierung als Chance annehmen. Ihr müsst den Rückstand aufholen, in den Deutschland sich manövriert hat.' So oder ähnlich lauten die vielen Appelle, die Mitarbeitern heute entgegengerufen werden. Deutschlands unbestreitbare Versäumnisse bei der Digitalisierung münden in das, was der Economist mit Vorsprung durch Panik beschrieben hat: in den Versuch, die Geschwindigkeit durch mutwilligen Ausstoß von Adrenalin zu erhöhen. Wirkung zeigt das bislang kaum. Warum auch? Denn wie wirken diese Appelle auf ihre Empfänger anders als angsteinflößend, verunsichernd und kränkend? In ihrem Kern besagen die Beschwörungen doch nur dies: 'Schaffe dich selbst ab, bevor du abgeschafft wirst.' Diese ohnehin nicht sonderlich freundliche Botschaft trifft auf florierenden Handel mit Vollbeschäftigung, Facharbeitermangel, Auslastung an der Kapazitätsgrenze, weltweit als obszön empfundene Exportüberschüsse, null Inflation, eine alternde Bevölkerung, pralle Sparvermögen und vergleichsweise sichere Altersversorgungen. Die Digitalisierung hat ein Glaubwürdigkeits- und Motivationsproblem. Unglaubwürdig scheint sie, weil alle Räder allem Anschein nach ja auch trotz des deutschen Digital-Rückstands surren. Warum sollte das nicht so bleiben können? Braucht die Welt trotz aller digitalen Plattformen nicht immer weiter physische Güter und warum sollten wir sie nicht produzieren? Lasst Amerika und China doch die digitale Welt, solange wir in Deutschland die physische so erfolgreich beliefern. Und demotivierend wirken die Aufrufe zur Digitalisierung, weil sie keinerlei positive Anreize setzen und nichts zu gewinnen versprechen, stattdessen sich in vagen Endzeit-Prophezeiungen ergehen und vom Ende der Welt fabulieren, so wie wir sie heute kennen. Wer sowieso wenig von Digitalisierung versteht, warum sollte er dieser schlecht gelaunten Kassandra in die Arme fallen? Warum sollte sich irgendjemand zum digitalen Pionier aufschwingen, wenn viele anderen Optionen weit besseren Lohn versprechen und wenn die sichere Rente sowieso einen sorgenfreien Austritt aus dem gefährlichen Spiel in Aussicht stellt? Den Menschen in den Mittelpunkt stellen Erfolg wird die Digitalisierung in Deutschland erst haben, wenn wir uns ernsthaft mit ihren motivatorischen Aspekten auseinandersetzen. Wenn wir beginnen, uns zu fragen, wie sie auf die Menschen wirkt, und wenn wir Verheißungen formulieren, dort wo heute nur von Verdammnis gesprochen wird. 'Dein Beruf verschwindet. Mache dir das endlich klar und wehre dich' - mit solchen Aussagen werden wir niemanden zum freudigen Aufbruch bewegen. Was soll der Taxifahrer denn tun, dem selbstfahrende Limousinen die Kunden abluchsen werden? Die wütende Sternfahrt gegen Uber, der blockierende Lobbyismus seiner Berufsverbände sind keine irrationalen, sondern höchst logische Reaktionen auf das Narrativ, das ihm entgegengehalten wird. Was erwarten wir von der Kassiererin im Supermarkt, die in den Nachrichten erfährt, dass bald niemand sie mehr braucht, und dem Bandarbeiter in der Autofabrik, der allerorten hört, dass Elektroautos weit weniger Komponenten benötigen und somit mit einem Bruchteil des Personals zu montieren sind? Dass sie kreative Mitarbeiter der 'Projektgruppe Digitalisierung' werden und die Axt munter in ihre Lebensgrundlage schlagen? Viel vernünftiger ist es für sie, das Erreichte zu verteidigen, Gewerkschaften mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu beauftragen, Rationalisierungsschutz-Vereinbarungen zu verhandeln und die Gunst des Personalmangels dafür zu nutzen, der Kapitalseite ihres Unternehmens Garantien für möglichst viele Jahre abzuhandeln, was nichts anderes bedeutet als der Digitalisierung, sprich: der Weg-Digitalisierung ihres Arbeitsplatzes, möglichst viele Brocken in den Weg zu legen. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, was sich ja immer leichter sagt als tut, bedeutet nichts anderes, als die Bedürfnisse der Menschen zu beachten und zu erfüllen: Anerkennung, Sicherheit und Geborgenheit zu spenden statt zu entziehen. Jedes Unternehmen, das sich digital transformieren möchte, muss eine Antwort auf folgende Frage finden: Wie kann Digitalisierung dazu beitragen, die Anerkennung seiner Mitarbeiter zu steigern, ihre Sicherheit zu erhöhen und ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln, wo überall vom Gegenteil die Rede ist? Das Faszinierende an der Digitalisierung ist der Überschwang an Möglichkeiten, der in ihr steckt. Digitalisierung revolutioniert die Welt gerade deshalb, weil sie das Unmögliche möglich macht. Drehen wir das Spiel also eine Umdrehung weiter und fragen nicht mehr nur: Wie können wir mit digitaler Technik noch besser rationalisieren? Sondern fragen wir: Wie können wir die Menschen mit Digitalisierung noch glücklicher machen? Dabei werden wir feststellen, dass vermeintliche Widersprüche verschwinden und dass das im Industriezeitalter noch Unvereinbare im Digitalzeitalter plötzlich miteinander zu verschmelzen beginnt: die Senkung von Kosten mit der Steigerung des Wohlbefindens der produzierenden Menschen durch Anerkennung, Sicherheit und Geborgenheit. Davon handelt dieses Buch: Wie dieses Programm am besten zu bewerkstelligen sei. Deutschland kann ein Vorbild der digitalen Transformation werden, wenn wir der Welt als Erste zeigen, wie die digitale Revolution ihre Kinder hütet und ernährt, anstatt sie einfach nur zu fressen. Christoph Keese, Jahrgang 1964, ist geschäftsführender Gesellschafter der Axel Springer hy GmbH in Berlin, einer Tochtergesellschaft des Medienunternehmens, die Firmen bei der digitalen Transformation hilft. Zuvor war Keese Executive Vice President bei Axel Springer und maßgeblich am digitalen Wandel des Konzerns beteiligt. Der Journalist und Wirtschaftswissenschaftler ist Autor der Bestseller Silicon Valley - Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt (2014) und Silicon Germany - Wie wir die digitale Transformation schaffen (2016). Die Idee einer menschlichen Digitalisierung Wie wir das digitale Zeitalter prägen - und nicht umgekehrt Von Kai Anderson, Vorstand Promerit 'Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.' Viktor Hugo Unsere Welt ist digital geworden Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie dieses Buch gerade auf einem Bildschirm lesen. Noch wahrscheinlicher sind Sie auf dieses Buch über Social Media oder zumindest eine digitale Plattform aufmerksam geworden und haben es gleich darüber gekauft. Was bequem ist für Sie, ist für den stationären Buchhandel eine Katastrophe. Er verliert mit der Schnittstelle seinen Kunden - das Geschäftsmodell steht infrage und damit Arbeitsplätze. Die gesamte Wertschöpfungskette - mehrere Hundert Jahre alt - ist obsolet, wenn das Buch digital gelesen wird. Beginnend beim Druckmaschinenhersteller über die Buchdrucker bis hin zum Buchversand - kein Bedarf mehr. Zugegeben ist das Buch als Beispiel naheliegend, handelt es sich hier ja um ein komplett digitalisierbares Produkt. Sehen wir es als Symbol für das, was die Chancen und Risiken einer Entwicklung ausmacht, die gerade erst begonnen hat. Wenn wir das Zeitalter der Digitalisierung mit dem Aufkommen des Internets gegen Ende des 20. Jahrhunderts verorten, markiert dies zugleich das Ende des Industriezeitalters. Der Anteil dessen, was wir Digitalisierung nennen, nimmt in unserem Leben mit jedem Tag zu. Was wir konsumieren, wie wir konsumieren, wie wir arbeiten, was wir arbeiten, was und wie wir kommunizieren und interagieren, verändert sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Dieses Tempo birgt die Gefahr, die Entwicklung nicht mehr zu hinterfragen, nicht mehr zu versuchen, sie zu gestalten oder das Machbare dem Sinnvollen vorzuziehen. Wir werden uns diesen Entwicklungen nicht verschließen können und auch nicht die Geschwindigkeit drosseln können, mit der die Digitalisierung unseren Alltag verändert. Aber wir werden die Veränderungen in ihren Konsequenzen besser durchdenken und Technologie sinnvoll und für den Menschen langfristig nutzbringend einsetzen müssen. Wir werden an Geschwindigkeit zulegen müssen, um mit dem Tempo der Veränderungen mitzuhalten - unternehmerisch, gesellschaftlich, persönlich. In einer Art und Weise, die uns die Möglichkeiten der Digitalisierung erschließt und uns hilft, die Probleme unserer Zeit zu lösen und nicht zu vergrößern. Wir fragen zu wenig Viele Gestalter und ein Großteil der Anwender der schönen neuen digitalen Welt kümmern sich wenig darum, was der Einsatz dieser Technologien für Auswirkungen hat. Was bedeutet die Digitalisierung für Unternehmen, deren Geschäftsmodell in Gefahr ist? Oder denen die Digitalisierung Chancen auf neue Produkte und Services ermöglicht? Wie kann man sich diese Chancen überhaupt erschließen? Und was bedeutet sie für die Menschen, die in diesen Unternehmen arbeiten? Werden sie weiter arbeiten können wie bisher? Wenig wahrscheinlich, aber was heißt das für die eigene Qualifizierung? Für das eigene Lebensmodell? Wird am Ende genug Arbeit für alle da sein? Wenn nicht, wie soll dann die Kaufkraft sichergestellt werden, die es braucht, um die Produkte und Services der schönen neuen Welt bezahlen zu können? Wir werden diese Fragen in diesem Buch nicht abschließend beantworten können. Aber wir werden den aktuellen Stand der Erkenntnisse und Erfahrungen dazu dokumentieren und dabei das Spektrum der Digitalisierung ausloten. Mit hochkarätigen Autoren aus Wissenschaft und Wirtschaft, die sich täglich mit dem Thema auseinandersetzen. Wir werden dabei weder Digitalisierungskritik noch Gesellschaftskritik betreiben. Vielmehr werden wir einen Ansatz vorstellen, der den Menschen in den Mittelpunkt dieser Entwicklung setzt. Der eine menschliche Digitalisierung als Alternative zu einem technologiegetriebenen Ansatz aufzeigt, aber auch als Alternative zu einem zögerlichen und im Industriezeitalter verharrenden Denken. Dabei verfolgen wir nicht in erster Linie eine philosophische Idee, sondern wollen konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen auf unternehmerischer, individueller und gesellschaftlicher/politischer Ebene vorstellen. Es gibt bereits viele Beispiele für gelungene digitale Transformationen auf unternehmerischer Ebene - einige davon werden Sie in diesem Buch finden. So unterschiedlich diese Ansätze sind, so klar ist eine zugrunde liegende Gemeinsamkeit: Ziele definieren, anfangen, ausprobieren. Wenn uns die Entwicklungen, die heute zu einem guten Teil jenseits des Atlantiks ihren Ursprung haben, etwas zeigen, dann dass wir uns beeilen müssen, unseren Weg in das digitale Zeitalter zu finden. Fortschritt muss dem Menschen dienen Bevor wir in die Zukunft aufbrechen, lohnt ein Blick zurück auf die Grundprinzipien dessen, was wir technischen Fortschritt nennen. Technischer Fortschritt ist substanzieller Teil der menschlichen Evolution. Vom Rad zum Pflug zum Traktor vergingen immerhin einige Tausend Jahre - immer noch ein Wimpernschlag mit Blick auf die gesamte Evolution. Digitalisierung ist technischer Fortschritt im Zeitraffer, da die Technologien, um die es hier geht, sich selbst verbessern und beschleunigen. Deep Learning ist das Zauberwort, mit dem wir im Unterschied zu früher die Systeme nicht nur schneller, sondern auch intelligenter machen. Im Unterschied zu den linearen Programmierverfahren der Vergangenheit setzte man hier auf neuronale Netze, die der Funktion des menschlichen Gehirns nachempfunden sind. Deep-Learning-Verfahren schaffen eigenständige Verbindungen, erkennen Muster durch Beobachtung und sind in der Lage, sich selbst weiterzuentwickeln. Das ist nicht weniger als die Blaupause der menschlichen Evolution. Ähnlich Goethes Zauberlehrling rufen wir die Helfer herbei. Die Geräte, die uns umgeben, lernen unsere Gewohnheiten immer besser kennen. Smartphones geben nutzerbasierte Empfehlungen: So erfahren wir ungefragt, wie lange der Weg nach Hause oder zum nächsten Termin dauert. Alexa kennt unsere Vorlieben und schlägt uns gerne entsprechende Produkte und Lieferanten vor. Angenehm, die neue digitale Welt - solange wir sicherstellen können, dass sich die Helferlein nicht verselbstständigen. Technischer Fortschritt, oder Technologie, war letztlich immer dazu da, dem Menschen zu dienen, die Lebensqualität zu steigern. Fortschritt schafft Produktivität, schafft Wohlstand, schafft Arbeit - das hat bisher noch immer funktioniert, auch wenn man die Entwicklungen mit zeitlichem Abstand bewerten muss. So stand die Erfindung des mechanischen Webstuhls von Joseph-Marie Jacquard 1805 von Anfang an unter dem Verdacht, Arbeitsplätze zu vernichten. Nicht zu Unrecht, wie der Aufstand der schlesischen Weber 1844 zeigte, als plötzlich 3000 Weber ihre Arbeit verloren und auf die Straßen gingen. Was als Beginn des Industriezeitalters gilt, war der Startschuss für ein Zeitalter, in dem die Lebensqualität und der Wohlstand für einen Großteil der Menschheit massiv gesteigert wurden.1, 2 Beim Blick auf die Statistiken bleibt nicht verborgen, dass die Arbeit in Summe weniger geworden ist - relativ mit Blick auf die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in den Industriestaaten.3 Der technische Fortschritt hat uns befreit von schwerer, zum Teil gesundheitsschädlicher Arbeit, was zu einer Steigerung der Lebensqualität und neben den Fortschritten in der Medizin zu einer Steigerung unseres durchschnittlichen Lebensalters beigetragen hat. Der Schwerpunkt unserer Tätigkeiten hat sich verlagert. Räumlich von den Feldern in die Städte, von den kleinen Werkstätten in die Fabriken und Bürokomplexe, in denen sich unsere Industriegesellschaft manifestiert hat. Auch der Inhalt unserer Arbeit hat sich verändert. Ganze Berufe sind verschwunden, neue Berufsbilder sind entstanden. Die Assistenz von heute hat mit der Schreibkraft der 60er-Jahre nicht mehr viel gemeinsam. Wir haben es verstanden, die zunehmende Produktivität zu nutzen, unseren Wohlstand in Summe zu vermehren, einigermaßen gerecht zu verteilen und Arbeit für einen Großteil der Bevölkerung zu gewährleisten. Keine Garantie Die Digitalisierung stellt dieses Prinzip infrage - selbst ihre Väter zweifeln, wie die ersten nachdenklichen Töne von den Protagonisten des Silicon Valley erkennen lassen. Der Einsatz disruptiver digitaler Technologien und die damit einhergehenden Produktivitätssprünge werden mit größter Wahrscheinlichkeit deutlich mehr Arbeitsplätze vernichten, als neue entstehen lassen.4 Die Umwälzungen durch künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitswelt in den nächsten 10 Jahren stärker verändern als in den letzten 50 Jahren. Gut ausgebildete Menschen, Facharbeiter und Akademiker werden erleben, wie ihre Tätigkeiten besser von intelligenten Algorithmen erledigt werden. Ob Underwriter in der Versicherungsindustrie, Anwälte in Großkanzleien oder hoch bezahlte Radiologen in Krankenhäusern - für einen sicheren Arbeitsplatz wird es keine Garantie mehr geben. Gestalter des Ganzen Sollten diese Entwicklungen ansatzweise so eintreten, wie es sich heute abzeichnet, stehen wir vor massiven Herausforderungen, aber auch Chancen. Es muss uns gelingen, die Digitalisierung so zu gestalten, dass gesamtwirtschaftlich betrachtet Beschäftigung und Kaufkraft sichergestellt sind. Schaffen wir das nicht, würde sich unsere Gesellschaftsstruktur zurückentwickeln auf feudalistische Gefüge - sehr wenig Superreiche und ein Großteil der Bevölkerung an der Armutsgrenze. Keine Konstellation für sozialen Frieden. Der Ausweg? Wenn es ein Mittel gibt, mit dem wir dieser Herausforderung begegnen können (wie im Übrigen allen anderen Problemen dieser Welt), ist das Bildung. Keine neue Erkenntnis, aber immer wieder vernachlässigt oder inkonsequent nachverfolgt. Reihen wir uns also ein in den Chor derjenigen, die mehr und intelligentere Investitionen in unser Bildungssystem fordern, bevor wir mit dem Rücken an der Wand stehen. Mit gutem Beispiel voran gehen hier beispielsweise die skandinavischen Länder. So investiert Schweden bereits seit Jahren verstärkt in die Weiterbildung im digitalen Kontext und ergreift Maßnahmen, um Arbeiterinnen und Arbeiter mit neuen Arbeitsweisen vertraut zu machen.5 Im asiatischen Raum boomt das eLearning6 Wo die Notwendigkeit für Politik und Gesellschaft besteht, liegt die Chance für jeden Einzelnen. Mit dem Beginn des digitalen Zeitalters entstand eine neue Spezies - die sogenannten digitalen Nomaden. Weniger als neue Form der Beschäftigung, sondern mehr als Ausdruck einer neuen Lebensart zieht es gut ausgebildete Menschen in die Welt, um dort zu arbeiten, leben, lernen, wo es ihnen gefällt. Einzige Voraussetzung: ein schneller Internetzugang, mit dem sie Zugang zu ihren Auftraggebern und zum Wissen der Welt haben.7 Das Lebensmodell dieser digitalen Elite ist sicher nicht die Blaupause für Beschäftigung und Weiterbildung im 21. Jahrhundert. Es zeigt uns aber die Möglichkeiten und Notwendigkeiten, mit denen wir uns persönlich auseinandersetzen sollten. Da ist zuerst einmal die Agilität, mit der diese Menschen ihr Leben gestalten. In einer VUCA-World (Volatile, Uncertain, Complex, Ambiguous), einer Welt der Unsicherheit also, muss die persönliche Flexibilität steigen. Arbeitsverhältnisse sind Beziehungen auf Zeit - zu beiderseitigem Nutzen. Um für den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben, wird der Einzelne länger für die eigene Qualifikation sorgen müssen als bisher. Lebenslanges Lernen ist keine Floskel mehr in einer Zeit, in der die Halbwertszeit von Wissen, insbesondere im IT-Bereich, rapide sinkt.8 Mit den neuen Technologien entstehen neue Erkenntnisse in immer schnellerer Abfolge. Um arbeitsfähig und arbeitsmarktfähig zu bleiben, wird ein großer Teil der Menschen im Erwerbsleben sich permanent weiter qualifizieren müssen. Gefördert von dem Unternehmen, für das er oder sie arbeitet, und im Gegenzug für einen Verbleib bei dieser Firma. Oder auf eigene Kosten mit der Chance, seine Qualifikation zu besseren Konditionen zu vermarkten. Der Arbeitsmarkt der Zukunft wird mehr Marktplatz sein als heute, mit höheren Umschlagsgeschwindigkeiten und größeren Preisunterschieden für mehr oder weniger gefragte Skills. Natürlich birgt die Entwicklung die Gefahr einer neuen Tagelöhner-Bewegung. Dem haben wir in Europa allerdings Sozialpartnerschaften entgegenzusetzen, die im besten Fall ein geeignetes Korrektiv darstellen, im schlechtesten Fall die Entwicklungen so weit verlangsamen, dass wir in alten Arbeitsmarktstrukturen verharren und den Anschluss an die Welt verlieren. Agilität als Antwort Die Chancen des digitalen Zeitalters zu nutzen obliegt dem Einzelnen. Jeder Erwerbstätige wird lernfähig bleiben müssen, flexibler und selbstbestimmter agieren müssen. Die Digitalisierung selbstbewusst anzugehen und Veränderung als Konstante zu akzeptieren ist eine Haltung, die persönliche Entfaltung und Sicherung des eigenen Wohlstands gewährleisten kann. Kreativität und menschliche/soziale Interaktion wird dem Menschen vorbehalten bleiben - hier wird der Schwerpunkt der Beschäftigung im digitalen Zeitalter liegen. 9 So wird in Studien beispielsweise für die Bereiche Fine Arts, Originality, Negotiation, Persuasion, Social Perceptiveness und Assisting and Caring for Others ein nur geringes Risiko der Verdrängung durch Maschinen gesehen. Damit sind Tätigkeitskategorien wie Wahrnehmung und Manipulation, also sich in komplexen und unstrukturierten Umwelten zurechtzufinden, kreativ-intelligente Fähigkeiten, also neue und wertvolle Ideen zu entwickeln sowie soziale Intelligenz beim Verhandeln oder Überzeugen gemeint.10 Was für den Einzelnen in der neuen digitalen Arbeitswelt gilt, ist ein Postulat für jedes Unternehmen im Wettbewerb, dessen Spielregeln durch die Digitalisierung neu definiert werden. Die Notwendigkeit, Veränderungen als Konstante zu akzeptieren und im Zentrum der strategischen Ausrichtung zu verankern, haben wir bereits vor drei Jahren in Das agile Unternehmen beschrieben. Die Digitalisierung ist ohne Zweifel die größte Veränderung und Herausforderung, der sich Unternehmen heute stellen müssen. Das war vor einigen Jahren noch nicht Common Sense - zumindest nicht in Branchen, die sich fernab von Informationstechnologie und Internet wähnten. In der Automobilindustrie beschäftigte man sich in dem Kontext zwar bereits mit selbstfahrenden Systemen und Entertainment-Angeboten, welche die Insassen die Zeit bis zum Ziel beschäftigen sollten. Kaum jemand dachte jedoch so weit, dass das ganze System infrage steht. Die Planspiele in den Strategie-Etagen der Automobilhersteller beschäftigen sich heute damit, dass Plattformen à la Uber den Personentransport zu einem Commodity-Service werden lassen können. Einer Dienstleistung, die wir - ohne Besitz eines eigenen Fahrzeugs - per Smartphone zu jeder Zeit an jedem Ort in Anspruch nehmen können. Ohne Fahrer, ohne Parkplatzsuche, ohne Staus. Utopie? Disruption! Dieses Szenario wird mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen 2030 und 2035 in vielen Ballungszentren Wirklichkeit werden.11 Dass wir uns heute mit solchen Szenarien auseinandersetzen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ebenso wie dem Einzelnen bleibt Unternehmen nichts anderes übrig, als die Digitalisierung mit all den Risiken und Chancen selbstbewusst anzugehen. Die Voraussetzung dafür liegt in einer digitalen Kultur, die heute noch die wenigsten 'traditionellen' Unternehmen aufweisen. Es ist erstaunlich, wie wenig Fantasie und Mut zum Teil in Organisationen herrscht, die Digitalisierung auf breiter Front als Beschleuniger der eigenen Entwicklung zu nutzen. Dabei ist es nicht mit einem 'Digital Lab' getan, das am besten noch in Berlin angesiedelt wird. So betreiben oder planen nach einer Studie des IT-Analysten Crisp Research Mitte 2016 rund 60 Prozent der Dax-Konzerne ein Digital Lab, wovon mehr als die Hälfte der 61 untersuchten Labs wiederum in Berlin angesiedelt sind.12 Doch dieser Trend klingt gerade ab - nicht zuletzt aufgrund verfehlter Erwartungen und Ziele. Die Vorstellung, dass diese organisatorischen Fremdkörper als Schnellboote neue Geschäftsmodelle entwickeln, ganze Branchen neu erfinden, hat sich nicht erfüllt. Eine gelungene digitale Transformation kann nach unserer Erfahrung nur in der Breite der Organisation stattfinden. Viele der Unternehmen, die wir in diesem Buch zu Wort kommen lassen, haben sich dazu entschieden, die Digitalisierung in ihr Unternehmen zu tragen und jeden Mitarbeiter dabei einzubinden. Partizipation ist das Mittel, mit dem wir nicht erst seit gestern sowohl den Kopf als auch das Herz der Organisation gewinnen können. Partizipation ist für viele Unternehmen ein Paradigmenwechsel. Es bedingt die Abkehr von einem hierarchischen Führungsverständnis und das Aufbrechen funktionaler Silos. Gelingt das, besteht die Chance, eine digitale Kultur Wirklichkeit werden zu lassen, die einen Aufbruch in ein neues Zeitalter ermöglicht. Ist mit einer digitalen Kultur das 'Wollen' sichergestellt, bleibt die Herausforderung des 'Könnens'. Dabei sollten mit Blick auf die Belegschaft die Gestalter und die Anwender der digitalen Arbeitswelt unterschieden werden. Aktuell konzentrieren wir uns aus unternehmerischer Perspektive meist auf die digitalen Gestalter, also zum Beispiel die Programmierer, die Online-Marketeers oder Business-Analysten - notwendig für den Erfolg der digitalen Transformation und heftig umworben am Arbeitsmarkt (weil überall gefragt). Weniger im Fokus, aber ebenso wichtig für den Erfolg ist die Qualifizierung aller Mitarbeitenden. Wenn es nicht gelingt, den sinnvollen und mehrwertstiftenden Einsatz digitaler Technologien sicherzustellen, wird die Transformation misslingen. Digitale Kompetenzen sind der Schlüssel, in der neuen digitalen Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Erste Unternehmen haben damit begonnen, digitale Kompetenzen systematisch zu rekrutieren und zu entwickeln und damit nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter sicherzustellen, sondern auch ihr Versprechen als moderne Arbeitgeber einzulösen.

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