Die Psychotherapie-Debatte - Was Psychotherapie wirksam macht

Die Psychotherapie-Debatte - Was Psychotherapie wirksam macht

von: Bruce E. Wampold

Hogrefe AG, 2017

ISBN: 9783456956817

Sprache: Deutsch

400 Seiten, Download: 7845 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Psychotherapie-Debatte - Was Psychotherapie wirksam macht



Kapitel 3 Kontextuelles Metamodell versus Medizinisches Metamodell (S: 97-98)

Progressive Forschungsentwicklung

Laut Baker, McFall und Shoham (2008) sind „die wichtigsten Ziele der klinischen Psychologie und Psychotherapie, wissenschaftlich fundiertes Wissen zu generieren und dieses Wissen auf die optimale Verbesserung der psychischen und Verhaltensstörungen anzuwenden“ (S. 68). Diese Verlautbarung ist auf der einen Seite so unumstritten offensichtlich, dass sie in allgemeiner Übereinstimmung resultieren sollte. Andererseits wirft diese Aussage jedoch grundlegende Fragen über das wissenschaftliche Arbeiten, die psychische Gesundheit und die Art der empirischen Evidenz auf. Kein der Vernunft verpflichteter Wissenschaftler spricht sich wohl gegen empirische Evidenz als zentrales Wissenschaftskriterium aus. Isaac Asimov (1983) antwortete, als er gefragt wurde, an was er glaube:

Ich glaube an empirische Evidenz. Ich glaube an die Beobachtung, Messung und Argumentation, die von unabhängigen Beobachtern bestätigt wurden. Ich werde alles glauben, egal, wie wild und lächerlich es sein mag, wenn es Beweise dafür gibt. Je wilder und lächerlicher etwas aber ist, desto fester und fundierter müssen die Beweise sein. (S. 43)

Die Wissenschaft nutzt empirische Evidenz, um Bewährung (und möglicherweise sogar so etwas wie „wahre“ Effekte) zu entdecken. Leider sind die Konzepte der empirischen Evidenz und der Bewährung vage. Was macht empirische Evidenz aus? Kann Bewährung einwandfrei festgestellt werden? In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts haben sich Wissenschaftsphilosophen wie Karl Popper, Thomas Kuhn, Imre Lakatos und Paul Feyerabend mit diesen Fragen intensiv auseinandergesetzt.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage der Abgrenzung der Wissenschaft von Pseudowissenschaft, verbunden mit dem Bedürfnis, zu zeigen, dass es sich bei der Psychoanalyse Freuds und der marxistischen Wirtschaftstheorie um Pseudowissenschaften handelt, und zu klären, was den Fortschritt in der Wissenschaft darstellt. Diese Fragen sind nach wie vor von zentraler Bedeutung, um die Natur der Psychotherapie zu verstehen, wie Paul Meehl (1967, 1978) vor gut vier Jahrzehnten feststellte: Theorien in „weichen“ Bereichen der Psychologie fehlt der kumulative Charakter der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sie neigen dazu, weder widerlegbar noch bestätigbar zu sein. Sie verblassen lediglich, sobald die Leute das Interesse daran verlieren. (Meehl 1978, S. 806).

Um die Natur der Wissenschaft zu verstehen, haben Wissenschaftsphilosophen verschiedene Theorien entwickelt, die erklären können, wie Wissenschaftsfortschritt verstanden werden kann. Trotz der philosophischen Schwierigkeiten, die in den Begriffen Beweis, Wahrheit, Wissenschaft und Pseudowissenschaft enthalten sind, wollen wir einige Wissenschaftstheorien ansprechen, um die Belege interpretieren zu können, die auf kumulativen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und nicht durch Popularität oder Politik herbeigeführt sind. Für die Zwecke dieses Buches verwenden wir insbesondere die Theorie von Lakatos (Lakatos, 1970, 1976; Larvor, 1998; Serlin & Lapsley, 1985, 1993), dessen Arbeit irgendwo zwischen Poppers Falsifikationsvorschlag (auch kritischer Rationalismus genannt; siehe Miller, 1994; Popper, 1963) und Kuhns wissenschaftlichen Revolutionen liegt (Kuhn, 1962, 1970). Der Einsatz dieser besonderen Rekonstruktion ändert nichts an den Schlussfolgerungen dieses Buches, da man, mit Ausnahme des radikalen Konstruktivismus, jedes Schema nutzen könnte und trotzdem die gleichen Schlussfolgerungen entstehen würden. Einfach ausgedrückt, bietet Lakatos eine Wissenschaftstheorie an, die uns bei der Einordnung von Psychotherapieevidenz eminent nützlich erscheint.

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