Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)

Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)

von: Gerd Schulte-Körne, Katharina Galuschka

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2019

ISBN: 9783840927218

Sprache: Deutsch

195 Seiten, Download: 2028 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)



|24|2 Leitlinien


2.1 Leitlinien zur Diagnostik


In diesem Kapitel werden die Leitlinien zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Früherkennung von Lese- und/oder Rechtschreibstörungen dargestellt. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Leitlinien.

Tabelle 3: Übersicht über die Leitlinien zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Früherkennung von Lese- und/oder Rechtschreibstörung

L1

Diagnostische Kriterien und diagnostisches Vorgehen

L2

Klinische Untersuchung

L3

Körperliche Untersuchung

L4

Psychometrische Diagnostik

L5

Verlaufskontrolle

L6

Früherkennung

L7

Diagnostik von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache

2.1.1 Diagnostische Kriterien

Basierend auf dem DSM-5 und der ICD-10 werden in der Praxis drei verschiedene Diagnosekriterien angewendet: das Altersdiskrepanz-, das Klassennormdiskrepanz- und das IQ-Diskrepanz-Kriterium.

Im Rahmen der Entwicklung der evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung (Schulte-Körne & Galuschka, 2015) wurde mittels systematischer Literaturrecherchen überprüft, ob eines der drei diagnostischen Kriterien bevorzugt einzusetzen ist. Zwischen Kindern und Jugendlichen, bei denen die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung aufgrund einer Alters- oder Klassennormdiskrepanz oder IQ-Diskrepanz gestellt wurde, konnten keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Therapieeffekte, des Störungsverlaufs oder der Heritabilität festgestellt werden.

Somit kann für eine Diagnose das Altersdiskrepanz-, das Klassennormdiskrepanz- und das IQ-Diskrepanzkriterium herangezogen werden. Für die Diagnose ist jedoch Bedingung, dass unterdurchschnittliche Leistungen im Lesen oder Rechtschreiben (Abweichung von mindestens einer SD von |25|der Alters- oder Klassennorm) vorhanden sind. Leitlinie L1 fasst die praktische Umsetzung der Kriterien zusammen.

L1

Leitlinie 1: Diagnostische Kriterien und diagnostisches Vorgehen

Diagnostische Kriterien

Zur Diagnostik der Lese- und/oder Rechtschreibstörung soll auf das Kriterium der Alters- oder Klassennormdiskrepanz oder auf das Kriterium der IQ-Diskrepanz zurückgegriffen werden. Die Diskrepanz muss mindestens eine Standardabweichung (1,0 SD) betragen und die Leistung im Lesen und/oder Rechtschreiben mindestens unterhalb des Durchschnittsbereichs liegen.

Altersnormdiskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Altersnorm (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40).

Klassennormdiskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Klassennorm. Wenn vorhanden, schulformspezifische Norm anwenden (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40).

Alters- oder Klassennorm- und IQ-Diskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Alters- oder Klassennorm und erwartungswidrig schwache Leistung im jeweiligen Testverfahren im Vergleich zum IQ-Wert (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40 und Diskrepanz aus den jeweiligen T- oder IQ-Werten ≥ 1 SD).

Diagnostisches Vorgehen

Die Diagnosestellung einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung schließt die Ergebnisse

  • der körperlichen (siehe Leitlinie L3),

  • der testpsychologischen/psychometrischen (siehe Leitlinie L4) und

  • der klinischen Untersuchung (siehe Leitlinie L2) ein.

Die Diagnose einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung beruht zum einen auf den Ergebnissen psychometrischer Leistungstests und der Entwicklungs- und Schulanamnese und zum anderen auf den Ergebnissen der klinischen Untersuchungen (einschließlich der Seh- und Hörfunktionen). Zudem müssen zur Differenzialdiagnostik Methoden eingesetzt werden, die es erlauben, die körperliche und psychische Entwicklung des Kindes und des Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung festzustellen. Wichtig sind außerdem Verfahren der Lernverlaufsdiagnostik, welche die spezifischen Stärken und Schwächen in der Lernentwicklung im Lesen und/oder Rechtschreiben identifizieren.

Die einzelnen diagnostischen Schritte der verschiedenen Teilbereiche werden im Folgenden erläutert: in Kapitel 2.1.2 wird die klinische Untersuchung, in Kapitel 2.1.3 die körperliche Untersuchung und Kapitel 2.1.4 die psychometrische/testpsychologische Untersuchung beschrieben. Kapitel 2.1.6 schildert Maßnahmen und Möglichkeiten der Lernverlaufsdiagnostik und in Kapitel 2.1.4 und Kapitel 3.1 werden die psychometrischen Verfahren der Diagnostik beschrieben.

|26|Tabelle 4: Multiaxiale Diagnostik der Lese- und/oder Rechtschreibstörung

Achse

Gegenstand

Zielsetzung

Methode

1: Klinisch-psychiatrisches Syndrom

Angststörungen, depressive Störungen, ADHS, Störung des Sozialverhaltens und weitere psychische Auffälligkeiten

Differenzialdiagnostik

Abklärung spezifischer Komorbiditäten

Psychometrische/testpsychologische und klinische Untersuchung (psychopathologischer Befund), Anamnese

2: Kernsymptomatik: umschriebene Entwicklungsstörungen

Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis, lauttreue und orthografische Schreibfähigkeit

Kerndiagnostik

Abklärung spezifischer Komorbiditäten (z. B. Rechenstörung)

Differenzialdiagnostik:

Intelligenzminderung

Sprachstörungen

...

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