Fußball, Frauen, Männlichkeiten - Eine ethnographische Studie im Fanblock

Fußball, Frauen, Männlichkeiten - Eine ethnographische Studie im Fanblock

von: Almut Sülzle

Campus Verlag, 2011

ISBN: 9783593412207

Sprache: Deutsch

395 Seiten, Download: 4083 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Fußball, Frauen, Männlichkeiten - Eine ethnographische Studie im Fanblock



Was ist männlich? 'Was ist männlich?' fragte ich KollegInnen, Verwandte und Bekannte. Die Antworten waren, in unterschiedlicher Reihenfolge: Fußball, Technik, Autos, Militär, Sex. In kleinen Variationen noch ergänzt um Boxen, Computer, Krieg, Pornographie, Motorräder. Fußball kam fast immer vor und stand meist an erster Stelle. Diese Schlagwörter haben, alleine durch die Tatsache, dass sie immer in Kombination mit Männlichkeit gedacht und erwähnt werden, eine wichtige Bedeutung für aktuell gültige Männlichkeitsvorstellungen. Männliche Sportarten und technische Artefakte sind zu Symbolen für Männlichkeit geworden. Frauen in Männerdomänen Zum Fußball gekommen bin ich durch mein Interesse an Männlichkeitsforschung. Zum Thema Männlichkeit hat mich die kulturwissenschaftliche Technikforschung geführt. Bei meiner Beschäftigung mit dem Themenfeld Technik und Geschlecht (die damals, Ende der Neunzigerjahre, geläufigere Bezeichnung lautete ?Frauen und Technik?) ging es - so der Wunsch der staatlichen Auftraggeber - vor allen Dingen darum, junge Frauen im Zuge der Gleichberechtigung für Technik zu interessieren. Geforscht wurde damals hauptsächlich zu den Ausschlussmechanismen des Arbeits- und Ausbildungsfeldes Technik, die eine stärkere Beteiligung von Frauen in Technikberufen behindern. Dabei wurde auch gefragt, inwiefern Männlichkeitsvorstellungen Teil der Technikwelt sind. Es war in Mode gekommen, auch die kulturelle Komponente der Männerdomänen zu erforschen, allerdings erwies sich das ?Kulturelle? als zu kompliziert und zu vielschichtig, um sich ohne Weiteres in die geforderten Ursache-Wirkungs-Modelle einzufügen. Forschung und Praxis kamen nicht voran. Die Entfremdung zwischen Forschung und Feld war offensichtlich. Nicht nur, weil die Forscherinnen sich stets mehr für Geschlecht und die Beforschten sich mehr für Technik interessierten. Sondern auch, weil die Frauen selbst, ihre Wünsche und Belange und ihr Expertinnenwissen aus dem Inneren der Männerdomäne in der Forschung kaum eine Rolle spielten, obwohl die Forschung zugleich angetreten war, ?den Frauen? oder vielmehr ?der Sache der Frau? zu helfen. Die Definitionsmacht darüber, was ?die Sache der Frau? sei, oblag dabei allerdings den Forscherinnen. Frauen und Männlichkeit wurden von ihnen als Feinde gegenübergestellt. Dies ist einerseits logisch, wenn man bedenkt, dass es auch die Männlichkeitsbilder sind, die Frauen aus der Technikbranche ausschließen und ihnen Zugang zu und Anerkennung im Technikumfeld wenn nicht verwehren, so doch zumindest erschweren. In Gesprächen mit Technikerinnen und Technikstudentinnen stellte sich jedoch rasch heraus, dass sie weder mit der Technik noch mit der Männlichkeit verfeindet sind und sie um beides kein großes Aufhebens machen möchten. Denn die Aufmerksamkeit, die die Forschung ihnen ?als Frauen? schenkte, kam oft einer Verdoppelung der Besonderung gleich. Im Sinne der These von der Unvereinbarkeit von Weiblichkeit und Männerdomänen galten in dieser Forschung auch ?Frau sein? und Technikinteresse als unvereinbar. Das führte zu der Vermutung, Frauen würden in einer solchen Männerkultur entweder unglücklich, weil sie unterdrückt und ausgeschlossen seien, oder sie vermännlichten und würden im Zuge ihrer verzweifelten Überanpassung gar zu den ?besseren Männern?. In beiden Fällen, so die Annahme, drohe der Verlust der Geschlechtsidentität oder zumindest ein unüberwindlicher Rollenkonflikt. Meine Arbeit mit jungen Technikerinnen und Informatikerinnen hatte mich zu der Überzeugung gebracht: Diese Frauen sind anders als die Frauen-und-Technik-Forschung sie sich im Allgemeinen vorstellt. Weder die Fragestellungen noch die Hilfsangebote funktionierten. Das hat mich neugierig gemacht zu erforschen, wie junge Frauen in Männerdomänen selbst ihre Welt beschreiben. Wie sieht die (Männer )Welt aus einer Perspektive von Frauen mit der Haltung ?Ich bin hier gleichberechtigt? aus? Das setzt voraus, Frauen, die sich in männlichen Feldern als gleichberechtigt und anerkannt beschreiben, als solche ernst zu nehmen. Daraus folgte zunächst meine Abwendung von erklärenden Theoriemodellen. Ich entschied mich für möglichst offene, ethnographische Zugänge. Meine Fragen wurden grundsätzlicher: Wieso hat Technik ein Geschlecht? Was macht überhaupt einen Themenbereich männlich? Wie wird diese Männlichkeit aufrechterhalten? Welche Praxen stehen dahinter? Und immer wieder: Wie sehen sich eigentlich die in Männerdomänen gar nicht so selten anwesenden Frauen selbst? Mit diesen Fragen habe ich mich der Fußballfankultur zugewandt. Meine Untersuchung zu weiblichen Fans und zu Männlichkeiten in der Fußballfankultur verstehe ich auch als exemplarische Studie zum Thema Frauen in männlich konnotierten Feldern. Damit möchte ich zugleich eine ?andere Geschichte? erzählen - eine Geschichte, in der Frauen weder die besseren Männer sind, noch grundsätzlich entgeschlechtlicht oder verdrängt werden und auch nicht dazu verdammt sind, an ihren angeblichen Rollenkonflikten und Identitätsproblemen zu leiden oder gar zu scheitern. Männerdomäne Fußball Fußball erscheint mir dafür als ein ideales Untersuchungsfeld. Fußball ist ein vielschichtiger Komplex, der Profiliga, Freizeitaktivitäten und (Massen ) Konsum umfasst und er gilt in vermutlich allen Bereichen der deutschen Gesellschaft, quer durch alle Klassen und Schichten, als Hort der Männlichkeit und als Ort für Männer. Zugleich ist die Präsenz von Frauen im Fußballkosmos nicht zu übersehen: Die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft feiert große Erfolge und bleibt dabei nicht unbeachtet. Der Deutsche Fußballbund (DFB 2011) verzeichnet seit einigen Jahren in den Jugendabteilungen der Fußballvereine bei den Mädchen einen höheren Zuwachs als bei den Jungen. Die beliebteste TV-Sportart der Männer ist Fußball, die beliebteste TV-Sportart der Frauen ist Fußball und bei wichtigen Spielen sitzen genauso viele Frauen wie Männer vor dem Fernsehgerät (vgl. Kerschgens 2005). Aber trotzdem würden fast alle dem Satz zustimmen: Fußball ist männlich. Statistik und Konnotation stimmen hier nicht überein. Man könnte also vermuten: Fußball ist ein Sport und ein Feld der Populärkultur, in dem es besondere Anstrengung kostet, die damit verbundene Männlichkeit aufrechtzuerhalten. Das macht die Frage, wie der Fußball männlich wurde und wie er es auch bleibt, umso interessanter.

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