Versuchsplanung und experimentelles Praktikum

Versuchsplanung und experimentelles Praktikum

von: Arndt Bröder

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783840921438

Sprache: Deutsch

293 Seiten, Download: 2020 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Versuchsplanung und experimentelles Praktikum



Auch unsere Gedächtnisleistung unterliegt vielen systematischen Verzerrungen (Baron, 2008; Kahneman, Slovic & Tversky, 1982). Denken gemäß den Regeln der Logik und Denken in Wahrscheinlichkeiten gehört ebenfalls nicht zu den menschlichen Stärken (z. B. Wason, 1966). Eine beeindruckende Sammlung solcher kognitiver Täuschungen sowie den aktuellen Forschungsstand dazu findet man bei Pohl (2004). Ein frühes experimentelles Beispiel für die Interpretationsund Rekonstruktionsleistung im Gedächtnis ist eine Untersuchung von Carmichael, Hogan und Walter (1932), deren Ergebnis in Abbildung 2 illustriert ist. Die mehrdeutigen abstrakten Formen in der mittleren Spalte waren mehreren Personen gezeigt worden mit der Aufforderung, sie sich so originalgetreu wie möglich einzuprägen. Nach dem Einprägen erhielten zwei zufällig zugeteilte Gruppen von Teilnehmern die in Abbildung 2 gezeigten verbalen Beschreibungen als „Merkhilfen“. Später wurden sie dann aufgefordert, die ursprünglichen Muster so exakt wie möglich wiederzugeben, wobei es zu den charakteristischen Verzerrungen kam, die in Abbildung 2 dokumentiert sind. Offenbar neigten die Teilnehmer dazu, die Zeichnungen im Sinne der Merkhilfen zu rekonstruieren, anstatt sie einfach aus dem Gedächtnis zu reproduzieren. Von diesen Interpretationen und ihrer Beeinflussung des Gedächtnisses kann man sich kaum befreien, der Einfluss scheint automatisch zu sein.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Rückschaufehler, wonach Ereignisse im Nachhinein betrachtet (wenn sie bereits eingetreten sind) viel wahrscheinlicher erscheinen als im Vorhinein – als hätte man es schon immer gewusst (s. Erdfelder, Brandt & Bröder, 2007). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind natürlich auch nur Menschen, und durch eine strenge wissenschaftliche Methodik versuchen sie, sich gegen eigene Voreingenommenheit und Fehlinterpretationen zu schützen.

Damit ist die Zielsetzung einer wissenschaftlichen Psychologie im Unterschied zur Alltagspsychologie zusammenfassend umrissen: Obwohl unser Alltagswissen nicht immer falsch sein muss, stellt es keine Kriterien zur Verfügung, woran seine Korrektheit oder Falschheit überprüft werden kann. Unsere Wahrnehmungen sind oft verzerrt. Die wissenschaftliche Methodik bemüht sich, diese Verzerrungen weitgehend auszuschließen und damit die Grundlage zu schaffen für eine systematische Erweiterung unseres Wissens über das Erleben, Verhalten und die Kognition des Menschen. Die Abgrenzung von Wissenschaft gegenüber „common sense“ ist demnach nicht durch die Inhalte begründet, sondern durch die Methoden und die Art der Argumentation. So wird dem Philosophen Bertrand Russell (1872–1970) folgendes Zitat zugeschrieben: „Den Wissenschaftler kennzeichnet nicht, was er glaubt, sondern wie und warum er es glaubt.“ Das „warum“ zielt darauf, dass bestimmte Qualitätsstandards an die Begründungen für Überzeugungen gelegt werden, das „wie“ bezieht sich auf die Art, wie Wissenschaftler ihre Überzeugungen vertreten sollten: niemals dogmatisch, offen für Kritik und letztlich immer bereit, die eigenen Schlussfolgerungen zu hinterfragen.

1.2 WissenschaftstheoretischeGrundbegriffe und Anliegen der Psychologie

Die Wissenschaftstheorie ist ein Zweig der philosophischen Erkenntnistheorie, die sich mit den Möglichkeiten und Bedingungen von Erkenntnis auseinandersetzt. Ausgehend von bestimmten Grundannahmen werden in der Wissenschaftstheorie grundlegende Qualitätskriterien und Zugangswege für wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung formuliert, die in sogenannte fachübergreifende und fachspezifische Methodologien münden. Methodologien begründen, welche spezifischen Methoden der Erkenntnisgewinnung in einem Forschungsbereich sinnvoll und Erfolg versprechend sind. Hier sollen nur basale Konzepte vorgestellt werden, eine hervorragende tiefere Behandlung der Wissenschaftstheorie und Methodologie der Psychologie findet man bei Westermann (2000).

1.2.1 Ziele von Wissenschaft

er (2005) 1. Sammlung und Ordnung von Tatsachenwissen und
2. Formulierung von allgemeinen Theorien und Gesetzmäßigkeiten, die zur Erklärung und Prognose von Phänomenen dienen.

Beide Zielsetzungen dienen zunächst einem reinen Erkenntnisinteresse, können aber auch im Dienste einer dritten Zielsetzung von…

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