Buyology - Warum wir kaufen, was wir kaufen

Buyology - Warum wir kaufen, was wir kaufen

von: Martin Lindstrom

Campus Verlag, 2009

ISBN: 9783593408958

Sprache: Deutsch

230 Seiten, Download: 1728 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Buyology - Warum wir kaufen, was wir kaufen



Einleitung Es ist nicht zu leugnen: Wir alle sind Verbraucher. Ob wir ein Handy kaufen, eine Antifaltencreme oder eine Coca-Cola - Einkaufen spielt eine große Rolle in unserem Alltagsleben. Darum werden wir auch tagtäglich mit Dutzenden, ja Hunderten von Werbe- und Marketingbotschaften überflutet. Fernsehspots und Großplakate, Werbebanner im Internet, Ladenschilder und Shop-Fronten: Wir werden ständig mit Marken und Informationen über Marken bombardiert, aus allen Richtungen und mit Höchstgeschwindigkeit. Wie kann man erwarten, dass wir angesichts der Fülle an Werbung, der wir täglich ausgesetzt sind, irgendetwas davon länger im Gedächtnis behalten? Was entscheidet darüber, welche Informationen in unser Bewusstsein dringen und welche unser Gehirn sofort entsorgt? Das erinnert mich an die übliche Ankunft in einem Hotel. Wenn ich ein Hotelzimmer betrete, werfe ich den Schlüssel (oder die Türkarte) irgendwohin, und einen Sekundenbruchteil später habe ich bereits vergessen, wo er ist. Das Wissen ist wie ausgelöscht. Wieso? Weil mein Gehirn, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht, gleichzeitig eine Menge weiterer Informationen verarbeitet - in welcher Stadt und welcher Zeitzone ich bin, wann ich den nächsten Termin habe, wann ich zuletzt etwas gegessen habe -, und angesichts der begrenzten Kapazität unseres Kurzzeitgedächtnisses bleibt das Wissen, wo der Schlüssel ist, einfach nicht hängen. Unser Gehirn sammelt und filtert ständig Informationen. Manche werden langfristig gespeichert - sie bleiben uns im Gedächtnis -, doch die meisten stellen für unser Gehirn ein belangloses Durcheinander dar und werden entsorgt, das heißt vergessen. Dieser Prozess verläuft unbewusst und prompt, in jeder Sekunde, jeder Minute jedes Tages. Mir wird immer wieder die Frage gestellt, warum ich ein Buch über Neuromarketing geschrieben habe. Schließlich leite ich mehrere Firmen, bin ständig als Berater von Führungskräften unterwegs und verbringe bloß etwa 60 Tage pro Jahr zu Hause. Warum nehme ich mir dann noch die Zeit, um zum erwähnten Thema die bisher umfassendste Studie durchführen zu lassen? Kurz gesagt: Bei meiner Beratertätigkeit, wie man bessere Marken mit langer Lebenserwartung schafft, fiel mir auf, dass es sich mit den meisten Marken so verhält wie mit dem Schlüssel zum Hotelzimmer. Um meinen Landsmann Hamlet zu paraphrasieren: Etwas war faul im Werbe-Staat. Zu viele Produkte erwiesen sich als Flops, schafften keinen richtigen Durchbruch oder wurden gar nicht erst großflächig eingeführt. Die herkömmliche Marktforschung funktionierte nicht. Als Markenberater nervte mich das und wurde schließlich zur Besessenheit. Ich wollte herausfinden, warum Verbraucher von einer bestimmten Bekleidungsmarke, einem bestimmten Automodell, einem Rasierschaum, einem Haarwaschmittel oder einem Schokoriegel angezogen werden. Mir war klar, dass die Antwort irgendwo im Gehirn zu finden war. Außerdem glaubte ich, dass Erkenntnisse darüber nicht nur die Zukunft der Werbung bestimmen, sondern auch die Art und Weise revolutionieren würden, wie wir alle als Konsumenten denken und handeln. Das Problem dabei ist: Es nutzt nichts, wenn wir uns als Verbraucher diese Fragen stellen, denn meistens können wir keine Antwort darauf geben. Wenn Sie mich fragen, ob ich den Zimmerschlüssel aufs Bett, auf die Kommode, die Ablage im Bad oder vor das Fernsehgerät geworfen habe, kann Ihnen mein Bewusstsein keine Antwort darauf geben. Das Gleiche gilt für den iPod Nano, die Casio-Uhr, den Chai Latte von Starbucks und die Diesel-Jeans, die ich mir gekauft habe. Keine Ahnung, warum. Ich habe sie einfach gekauft. Aber wenn die Marketingleute herausfinden könnten, was in unserem Gehirn vor sich geht und uns eine Marke einer anderen gegenüber bevorzugen lässt - welche Information den Filter unseres Gehirns passiert und welche nicht -, dann könnte man anhand dieser Erkenntnis wirklich Marken für die Zukunft schaffen. Darum habe ich mich auf diese Reise in die Welt der Konsumenten, der Marken und der Wissenschaft eingelassen, die drei Jahre dauern und einige Millionen Dollar kosten sollte. Wie ich auf den nächsten Seiten schildern werde, wurde mir bald klar, dass Neuromarketing, diese faszinierende Verbindung von Marketing und Wissenschaft, das »Fenster« zum menschlichen Gehirn darstellt, auf das wir lange gewartet haben. Neuromarketing ist der Schlüssel zu dem, was ich als »Buyology« [den Kaufauslöser in unserem Hirn] bezeichne: die unbewussten Gedanken, Gefühle und Wünsche, die alle Kaufentscheidungen bestimmen, die wir täglich treffen. Mir ist klar, dass eine Wissenschaft, die Erkenntnisse darüber liefert, was in unseren Köpfen vor sich geht, viele Menschen abschreckt. Wenn wir etwas von Gehirnscan hören, reagieren wir nervös: Man dringt auf unerhörte Weise in unsere Privatsphäre ein, die Beobachtung durch Big Brother wird noch intimer, unsere verborgensten Gedanken und Gefühle werden durchleuchtet. Eine Organisation namens Commercial Alert, die den US-amerikanischen Kongress gebeten hat, Neuromarketing zu verbieten, behauptet, Ziel und Zweck von Gehirnscans sei es, »den Geist zu unterwerfen und einen kommerziellen Nutzen daraus zu ziehen«. In einem Brief an James Wagner, den Präsidenten der Emory University, deren neurowissenschaftliche Fakultät einmal als »Epizentrum des Neuromarketings« bezeichnet wurde, fragte Commercial Alert, was passiere, wenn ein Neurowissenschaftler, der Experte für Suchtverhalten sei, sein Wissen nutze, »um durch produktbezogene Maßnahmen ein unbezwingbares Verlangen nach dem betreffenden Produkt auszulösen«. Den US-Senat bat die Organisation in einem Schreiben um Aufklärung darüber, ob Neuromarketing für politische Propaganda genutzt werden könnte, die »potenziell zu einer neuen totalitären Herrschaft, Aufruhr, Kriegen, Völkermord und zahllosen Toten führen kann«.1 Ich habe großen Respekt vor Commercial Alert und ihren Überzeugungen, doch trotzdem glaube ich, sie sind nicht gerechtfertigt. Wie bei jeder neuen Technik besteht auch beim Neuromarketing die potenzielle Gefahr des Missbrauchs, und daher haben wir eine ethische Verantwortung. Diese Verantwortung nehme ich sehr ernst, denn letztendlich bin auch ich Verbraucher, und ich will wirklich nicht, dass Neuromarketing Unternehmen hilft, uns Konsumenten zu manipulieren. Aber ich halte Neuromarketing nicht für das heimtückische Instrument korrupter Regierungen und verlogener Werbetreibender. Ich betrachte es als einfaches Werkzeug - wie einen Hammer. Ja, in den falschen Händen kann ein Hammer dazu benutzt werden, einem anderen den Schädel einzuschlagen, doch weder ist dies der eigentliche Zweck eines Hammers noch bedeutet es, dass Hammer verboten oder konfisziert werden sollten. Das Gleiche gilt auch für Neuromarketing. Es ist ein einfaches Instrument, das zu ergründen hilft, was Verbraucher denken, wenn sie einem Produkt oder einer Marke begegnen, und das uns mitunter auch hilft, die hinterhältigen Methoden zu erkennen, die Marketingleute zu unserer Verführung benutzen, ohne dass wir es merken. Ich habe durchaus nicht die Absicht, Unternehmen zu helfen, Gehirnscans einzusetzen, um Sinne und Verstand der Verbraucher zu steuern oder uns in Roboter zu verwandeln. Ja, irgendwann in der Zukunft mag es dazu kommen, dass Menschen dieses Instrument auf unethische Weise einsetzen. Aber ich hoffe, dass die überwältigende Mehrheit das Instrument für etwas Nützliches verwenden wird, sodass wir uns alle selbst besser verstehen können - unsere Bedürfnisse, unsere Triebkräfte, unsere Motivation - und dieses Wissen für harmlose praktische Zwecke nutzen. (Wenn Sie mich fragen: Wir wären dumm, wenn wir das nicht täten.) Meine Überzeugung? Dass wir durch ein besseres Verständnis unseres eigenen, scheinbar irrationalen Verhaltens - sei es der Grund für den Kauf eines Designerhemdes oder die Beurteilung einer Person im Vorstellungsgespräch - ein höheres Maß an Kon- trolle erlangen, nicht weniger. Je besser wir verstehen, warum wir auf die Tricks und Taktiken der Werbenden hereinfallen, desto besser können wir uns gegen sie verteidigen. Je mehr Unternehmen über unsere unbewussten Bedürfnisse und Wünsche wissen, umso nützlichere, sinnvollere Produkte werden sie auf den Markt bringen. Wollen nicht alle Marketingexperten Produkte einführen, in die wir uns verlieben? Dinge, die uns emotional involvieren und unser Leben verbessern? Aus diesem Blickwinkel betrachtet, können Gehirnscans bei ethischer Verwendung für uns alle nützlich sein. Denken Sie an mehr Produkte, die mehr Geld einbringen und gleichzeitig die Verbraucherbedürfnisse befriedigen. Das ist eine gute Kombination. Bis heute bestand die einzige Methode der Unternehmen, Wünsche und Begehren von Konsumenten zu erkennen, darin, diese zu beobachten oder direkt zu befragen. Das ändert sich jetzt. Stellen Sie sich Neuromarketing als einen von drei sich überschneidenden Kreisen in einem Venn-Diagramm vor. Dieses Diagramm wurde 1881 von John Venn, einem englischen Logiker und Philosophen aus streng evangelikaler Familie, entwickelt. Es wird üblicherweise in der Mengenlehre verwendet und zeigt die möglichen Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen abstrakter Objekte. Wenn ein Kreis Männer darstellt, ein weiterer Personen mit dunklen Haaren und ein dritter Menschen mit Schnurrbart, dann enthält die Schnittmenge alle dunkelhaarigen Männer mit Schnurrbart. Denken wir einmal an zwei Kreise in einem Venn-Diagramm, welche die herkömmlichen Zweige der Marktforschung - quantitativ und qualitativ - darstellen; es wird Zeit, eine neue Variante einzuführen: Neuromarketing. In der Schnittmenge dieser drei Varianten liegt die Zukunft des Marketings: Der Schlüssel zum echten und umfassenden Verständnis der Gedanken, Gefühle, Motive, Bedürfnisse und Wünsche der Verbraucher, das heißt von uns allen. Natürlich bietet Neuromarketing nicht die Antwort auf sämtliche Fragen. Als junger Wissenschaft sind ihr durch unser nach wie vor mangelhaftes Verständnis des menschlichen Gehirns Grenzen gesetzt. Aber glücklicherweise verstehen wir immer besser, wie unser Unterbewusstsein unser Verhalten steuert. Spitzenforscher auf der ganzen Welt machen zunehmend Fortschritte auf diesem Gebiet. Ich betrachte dieses Buch, das auf der größten Neuromarketing-Studie ihrer Art basiert, als meinen Beitrag zu dem immer umfangreicher werdenden Kenntnisstand. (Man mag manche der Ergebnisse infrage stellen, was ich als nützliche und wichtige Auseinandersetzung begrüßen würde.) In der Wissenschaft ist kaum jemals das letzte Wort gesprochen, und so betrachte ich Buyology als den Beginn einer faszinierenden Untersuchung der Gründe für unser Kaufverhalten. Falls ich mein Ziel erreiche, wird dieser Beitrag helfen, viele der lieb gewonnenen Mythen, Annahmen und Ansichten darüber, was ein Produkt anziehend macht oder was uns daran abstößt, zu vergessen. Ich hoffe, Sie lesen dieses Buch mit Vergnügen, lernen etwas daraus und haben am Ende ein besseres Verständnis für das, was ich als »Buyology« bezeichne - die vielen unbewussten Triebkräfte, die unser Kaufverhalten steuern.

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