Rhetorik für freche Frauen

3 Stark sein in Konflikten (S. 55-57)

Die meisten meiner Mitarbeiterinnen glauben, dass man einen Konflikt bewältigt, indem man ihm aus dem Weg geht.
Christiane, Abteilungsleiterin

Die weibliche Konfliktschwäche

Nirgendwo wird die weibliche Sprachschwäche so deutlich wie in Konflikten. Frauen sind notorisch konfliktschwach. Neulich stand ich auf einem Bahnhof in einer langen Schlange vor dem heiß begehrten Kaffee-Automaten. Ein Business- Kerl drängte sich unverschämt vor. Die Frau, die eigentlich an der Reihe gewesen wäre, trat – typisch Frau! – unwillkürlich einen Schritt zurück, klappte den Kiefer auf und ließ den dreisten Drängler vor, anstatt einfach zu sagen: „Entschuldigung, ich stehe schon länger an!" Das habe dann ich für sie getan: „Moment mal, junger Mann, die Dame war vor Ihnen an der Reihe!" Der Pilotenkoffer-Yuppie maulte kurz etwas Unflätiges und machte dann aber artig Platz. Auch das ist typisch männliche Kommunikation: Erst mal maulen, aber dann machen.

Drei andere Frauen standen auch noch um den Automaten herum, nickten mir dankbar zu – aber meinen Sie, auch nur eine von ihnen hätte zuvor den Mund aufgekriegt? Nicht in einer Million Jahren!

Männer maulen, Frauen kuschen

Das Konfliktverhalten von Männern und Frauen ist radikal verschieden. Männer schwingen schon beim kleinsten Anlass das Kriegsbeil und zetteln einen Konflikt an: „Was fällt Ihnen denn ein? So geht das aber nicht!"

Frauen dagegen ertragen oft die schlimmsten Übergriffe, Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen und Respektlosigkeiten – und lächeln oft noch gequält dabei! Männer kämpfen, Frauen kneifen. Männer gehen in den Kon- flikt rein, Frauen gehen Konflikten aus dem Weg. Männern reißt schon beim kleinsten Anlass der Geduldsfaden, Frauen fressen die größten Schweinereien in sich hinein – bis sie einmal im Quartal explodieren. Männer sind Permanentcholeriker, Frauen Quartalscholerikerinnen. Männer fordern im Konfliktfall mit der allergrößten Selbstverständlichkeit die Erfüllung ihrer Wünsche. Frauen verzichten im Konfliktfall nach reiflicher Überlegung auf ihre Wünsche ganz oder teilweise. Oder um es weltanschaulich zu formulieren: Im Konfliktfall praktizieren Männer den galoppierenden Imperialismus, während Frauen die vorauseilende Unterwerfung leben. Warum tun wir uns das an?

Everybody’s Darling

Warum sind Frauen so konfliktschwach? Weil wir die Harmonie wahren möchten, oft um jeden Preis. Im Konfliktfall ist uns der liebe Friede wichtiger als die eigene Sache. Wir möchten nicht als böse Xanthippe dastehen, nicht herumzicken. Außerdem fragen wir uns oft: „Muss ich diesen Kerl denn jetzt auch noch erziehen? Sieht der nicht von allein, dass er im Unrecht ist?" Wir streiten ungern, weil wir gemocht werden möchten. Das ist uns oft wichtiger, als das zu bekommen, was uns zusteht. Leider haben wir dabei gleichzeitig das Gefühl, dass unsere Harmoniesucht nicht wirklich gut für uns ist. Wie das Sprichwort sagt:

Wer Everybody’s Darling sein möchte, ist bald Everybody’s Depp. Wenn Sie es anderen ständig recht machen möchten, kommen Sie nicht zu Ihrem verdienten Automaten-Kaffee, können sich im Konfliktfall nicht durchsetzen, werden häufiger untergebuttert, handeln sich frauenspezifische Stigmata ein wie „Nicht tough enough fürs Business!", verlieren Ihre eigenen Wünsche und Ziele aus den Augen, machen nicht das, was Sie machen möchten, sondern das, was andere Ihnen aufs Auge drücken, werden zur Wasserträgerin für andere – und fühlen sich mit der Zeit ganz schön veräppelt, ausgenutzt, zu kurz gekommen, erschöpft und übergangen oder einfach nur um den verdienten Kaffee geprellt.

Es gibt Frauen, die mit stoischem Gleichmut in einem Konflikt lieber schweigen und Platz machen – um des lieben Friedens willen. Das ist gut. Harmonie ist gut. Die Welt könnte mehr davon gebrauchen. Doch wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie sich manchmal einfach besser fühlen und mehr vom Leben haben würden, wenn Sie vor bestimmten Konflikten nicht länger davonliefen – dann tun Sie jetzt etwas für Ihre Konfliktstärke.