Kränkung am Arbeitsplatz

Kränkung am Arbeitsplatz

von: Bärbel Wardetzki

Kösel-Verlag, 2005

ISBN: 9783466307029

Sprache: Deutsch

241 Seiten, Download: 1147 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Kränkung am Arbeitsplatz



II Kränkungen im Berufsalltag (S. 82-84)

Ein weiser Mensch ist nicht weise, weil er keine Fehler begeht, sondern weil er seine Fehler erkennt und die Folgen akzeptiert.
Luciano de Crescenzo


Die Bedeutung von Kränkungen in der Zusammenarbeit

Es gibt im Arbeitsbereich eine Vielzahl von Kränkungssituationen, die zwischen Kollegen, zwischen Untergebenen und Vorgesetzten oder mit Kunden stattfinden. Das Kränkungserleben selbst ist unabhängig davon, ob Sie sich durch einen Kollegen, einen Kunden oder einen Chef gekränkt fühlen. Die Wahrscheinlichkeit aber, mit der die Kränkungsreaktion eintritt, ist stark abhängig vom Kontext, in dem sie stattfindet. Denn die Bedeutung von Ereignissen verändert sich in Abhängigkeit von der Wichtigkeit der Person, von der Sie sich verletzt fühlen, und von der Situation, in der die Zurückweisung geschieht. Je stärker Ihr Fortkommen oder die Sicherheit Ihres Arbeitsplatzes von der Anerkennung und der Fürsprache Ihres Chefs oder Ihrer Chefin abhängt, umso stärker wird Sie eine Ablehnung oder Kritik durch diese Person treffen. Genauso verhält es sich unter Kollegen. Von jenen, mit denen Sie im Grunde nichts zu tun haben, werden Sie sich nicht so leicht in Ihrem Selbstwertgefühl angegriffen fühlen wie von Personen, mit denen Sie eng zusammenarbeiten und auf deren Kooperation und Unterstützung Sie angewiesen sind. Auch wenn Kollegen in der Regel nicht darüber entscheiden, ob Sie Ihren Arbeitsplatz behalten oder nicht: Sie brauchen dennoch deren Solidarität, um gute Arbeit zu leisten. Denn gezielte Aggressionen von Kollegen können so weit gehen, dass Sie sich gemobbt fühlen, Leistungseinbrüche haben, am Ende entlassen werden oder selbst kündigen.

Weist Sie ein wichtiger Kunde, dessen Aufträge Ihr Ansehen in der Firma stärkt, zurück, ist das für Sie ein viel größeres Problem als bei einem weniger bedeutenden Kunden, auf dessen Abschluss Sie leichter verzichten könnten.

Wie Sie sehen, ist Kränkung nicht gleich Kränkung. Ihre verletzende Wirkung hängt unter anderem vom sozialen Zusammenhang ab, in dem sie auftritt, und von der Bedeutung, die Sie ihr verleihen.

Eine rüde Anweisung vom Chef ertragen Sie mit weniger Selbstwerteinbuße, wenn sie hinter verschlossenen Türen geschieht, als vor der gesamten Belegschaft. Die Kritik eines Kunden können Sie sich mit mehr Gelassenheit anhören, wenn er sie Ihnen selbst sagt, als wenn Sie sie durch Ihren Vorgesetzten oder einen Kollegen erfahren. Die Schmach, das Gefühl, versagt zu haben, und die Scham, vor anderen bloßgestellt zu werden, ist im zweiten Fall sehr viel größer.

Sind Sie noch dazu ein Mensch, der unter Selbstzweifeln leidet, Negatives schnell auf sich bezieht und glaubt, an allem schuld zu sein, dann werden Sie häufiger verletzt reagieren. Denn in diesem Fall sind Ihr Selbstwertgefühl und Ihre positive Selbsteinschätzung in hohem Maße auf das Lob und die Anerkennung der anderen angewiesen. Bleiben diese aus, bedeutet das für Sie möglicherweise schon eine Zurückweisung oder Kritik. Wenn Sie mit Menschen zusammenarbeiten, haben Sie es mit einer solchen Haltung schwer, aber die anderen auch mit Ihnen. Sie müssen immer auf der Hut sein, ob Sie nicht wieder zurückgesetzt, verletzt oder benachteiligt werden, möglicherweise sogar zu kurz kommen. Ihre Kollegen fühlen sich vielleicht gedrängt, aufzupassen, um Sie nicht unnötig zu verletzen oder Ihnen ungewollt das Gefühl zu geben, dass Sie nicht wichtig sind oder Ihre Leistung nicht herausragend ist. Sie werden auf Dauer etwas paranoid, da Sie überall Angriffe von anderen frühzeitig wittern müssen, um sie abzuwehren. Die Kollegen reagieren entweder übervorsichtig und schonen Sie, um sie nicht anzugreifen, oder sie werden ungeduldig und unwirsch, weil sie Ihre Mimosenhaftigkeit nicht ertragen. Denn einen kränkbaren Menschen kann man kaum vor Kränkungen schützen, da es immer etwas gibt, das er »in den falschen Hals« bekommt. Die Samthandschuhe können noch so weich sein, die Vorsicht der Mitarbeiter noch so groß, die Kritik noch so gut verpackt, Anlässe für Kränkungen lauern überall.

Ebenso wenig, wie eine Schonhaltung die Kränkbarkeit eines Menschen vermindern kann, wird eine paranoide Vorsicht jemanden vor Kränkungen schützen können. Im Gegenteil: Die Fronten werden sich im Lauf der Zeit verhärten und die Kränkungshäufigkeit wird sich womöglich noch erhöhen.

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