Führungsstark in alle Richtungen - 360-Grad-Leadership für das mittlere Management

Führungsstark in alle Richtungen - 360-Grad-Leadership für das mittlere Management

von: Alexander Groth

Campus Verlag, 2013

ISBN: 9783593420509

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 5365 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Führungsstark in alle Richtungen - 360-Grad-Leadership für das mittlere Management



Vorwort

Die Situation des mittleren Managers

Mark, ein Mitarbeiter des mittleren Managements, schaut auf die Uhr. Er weiß nicht, wo ihm der Kopf steht. Der Vormittag war mit dem Schreiben von EMails, ein paar Anrufen und einem Meeting wie im Flug vergangen. Zum Mittagessen hat er sich mit einem Kollegen aus dem Controlling getroffen, um einige aktuelle Unternehmensentwicklungen zu besprechen. Dabei hat er unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfahren, dass der momentane Sparkurs des Unternehmens wohl doch nicht ohne Personalreduzierung zu machen sei. Welche Auswirkungen das auf seinen Bereich haben wird, kann er nur erahnen. Noch beim Essen hat sein Handy geklingelt. Sein Chef hat ihn zusammen mit einigen Kollegen zu einer Krisensitzung geordert, weil es ein Problem mit einem der wichtigsten Kunden des Unternehmens gibt. Das Thema 'Personalabbau' hat ihn während der gesamten Sitzung beschäftigt, aber sein Chef hat sich nichts anmerken lassen. Jetzt ist es 16 Uhr. Marks Blick fällt abwechselnd auf den Stapel an unerledigter Arbeit auf seinem Schreibtisch und den Bildschirm, der ihm den Erhalt von 73 neuen EMails verkündet. Er hat noch nicht einmal ansatzweise das abgearbeitet, was er sich für den heutigen Tag vorgenommen hatte. Er seufzt. Mark wird klar, dass es auch heute wieder spät werden und er seine beiden Kinder nur noch schlafend sehen wird. Zum Glück zeigt Kathrin viel Verständnis. Eigentlich hatte er gedacht, mit dem Aufstieg ins mittlere Management mehr delegieren zu können und dadurch etwas mehr Zeit zu haben, aber das Gegenteil ist der Fall. Mark nimmt sich den Konzeptvorschlag eines seiner Abteilungsleiter vor. Gerade, als er sich eingelesen hat, klingelt, wie so oft, sein Handy.

So wie Mark geht es vielen mittleren Managern. Sie haben das erreicht, wovon die meisten jüngeren Manager träumen: Sie sind ins mittlere Management aufgestiegen. Der neue Titel auf der Visitenkarte löst beim Jahrgangstreffen sichtbare Bewunderung aus und der Nachbar schaut neidisch auf den Audi A6-Dienstwagen mit Businesspaket-plus-Ausstattung. Der beste Freund spricht einen scherzhaft mit 'Herr Direktor' an, weil man telefonisch nicht mehr direkt, sondern nur noch über die persönliche Assistentin erreichbar ist. So weit ist es das, was Mark sich immer erträumt hat, aber es gibt eben auch die anderen Seiten, die er heute wieder einmal hautnah miterlebt hat.

Es sind die folgenden Probleme, mit denen mittlere Manager heutzutage meistens zu kämpfen haben:

Hohe berufliche Belastungen und Erwartungen

Elf- bis Zwölf-Stunden-Arbeitstage sind für viele mittlere Manager Alltag geworden. Die Kollegen arbeiten genauso viel, die Geschäftsleitung oft noch mehr. Gelobt wird man dafür nicht, denn das ist der erwartete Standard. Durch Lean Management wurden in den meisten Unternehmen massiv Stellen abgebaut. Heute leisten viele mittlere Manager das, was früher das obere Management verantworten musste, allerdings steht ihnen dafür nicht annähernd dieselbe Anzahl an Mitarbeitern zur Verfügung. Die Anforderungen an den mittleren Manager steigen kontinuierlich weiter. Die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben verschiebt sich immer mehr zugunsten des Jobs. Viele Führungskräfte haben auch abends und im Urlaub das Firmen-Handy und Arbeitsunterlagen dabei.

Die SandwichPosition

Der mittlere Manager hat die Aufgabe, die vom Top-Management vorgegebenen strategischen Ziele in operative Ziele und Prozesse für das untere Management zu übersetzen. Oft fühlen sich mittlere Manager zwischen den beiden Parteien eingeengt: Der Vorgesetzte des mittleren Managers kommt mit teilweise unrealistischen Zielsetzungen und baut Druck zur Umsetzung auf. Die den mittleren Managern unterstellten Führungskräfte beklagen sich über die hohe Belastung und Ressourcenmangel. Der mittlere Manager muss übertriebene Erwartungen und Fehler von beiden Seiten ausgleichen. Dabei kann er es keiner Seite wirklich recht machen.

Begrenzte Aufstiegschancen

War der Karrierepfad bis jetzt klar vorgezeichnet, wird es in Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes eng. Nach oben hin gibt es immer weniger Stellen. Gleichzeitig konkurriert man mittlerweile mit hoch qualifizierten, international ausgebildeten Managern um die vorhandenen Posten. Zum ersten Mal stellen sich viele karriereorientierte Menschen die Frage, wie es weitergehen soll. Die Konkurrenz wird härter, das Klima im oberen Management ist rau, und die Familie ist oft schon an der Belastungsgrenze angelangt.

Gestiegene Komplexität

Führung und Management waren noch vor wenigen Jahrzehnten viel einfacher und greifbarer. In der Produktion zum Beispiel konnte man Probleme sehen und 'begreifen' (im Sinne von 'anfassen'). Die Lösung war meist 'offensichtlich'. Die heutigen hoch komplexen Produktionsprozesse und Dienstleistungen dagegen sind überwiegend sinnlich nicht mehr erfahrbar und die Ursache-Wirkungs-Gefüge zum Teil sehr kompliziert. Mittlere Manager können daher nicht mehr alles im vollen Umfang überblicken und verstehen und befinden sich immer häufiger in Situationen, in denen sie mit ihrem bisherigen Erfahrungswissen und mit bewährten Vorgehensweisen nicht weiterkommen.

Keine Zeit für Reflexion

Viele mittlere Manager gehen in der alltäglichen operativen Arbeit unter. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Zeit, über sich selbst und die Arbeit in Ruhe zu reflektieren und sich Gedanken über die Mitarbeiter und die Zukunft des Bereichs zu machen. Viele Manager merken zwar, dass sie das Tagesgeschäft 'auffrisst', sehen aber keinen Weg, wie sie den Überblick und die Steuerungskompetenz wiedererlangen können.

Weniger Arbeitsplatzsicherheit

Je älter die Führungskraft oder je höher die finanziellen Verpflichtungen sind, desto mehr Bedeutung bekommt das Thema Sicherheit. Früher konnte man in den großen Konzernen davon ausgehen, dass man einen sicheren Arbeitsplatz hatte, solange man seine Arbeit gut machte und sich nichts zu Schulden kommen ließ. Eine regelmäßige Beförderung mit verbundener Gehaltserhöhung war eine feste Kalkulationsgröße. Heute werden mittlere Manager trotz guter Leistung, trotz jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit und trotz guter Unternehmenszahlen einfach entlassen. Wer bleibt, muss sich fragen, wann er auf der Liste stehen wird. Insbesondere wer über 50 ist, muss vorsichtig sein. Ab jetzt gilt man auf dem Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar. Selbst hoch qualifizierte ältere Führungskräfte finden manchmal keine adäquate Stelle mehr, weil nun jüngere Bewerber bevorzugt werden.

Belastungen im Privatbereich

Mittlere Manager sind auch und vor allem privat oft hohen Belastungen ausgesetzt. Viele haben ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern und dem Partner, weil sie zu wenig Zeit mit ihnen verbringen. Der Manager kommt abends spät und völlig 'geplättet' nach Hause. Für die Alltagsprobleme des zum Teil ebenfalls berufstätigen Partners hat er dann kein Ohr mehr. Wenn der Partner ihn dann am Wochenende mit angespannter Stimme bittet, doch auch mal was im Haushalt zu machen und die Kinder zu übernehmen, reagiert der erschöpfte Manager genervt. Parallel kommen häufig Probleme mit den Eltern hinzu, weil diese im Alter krank oder pflegebedürftig werden. Wenn sich dann noch Belastungen durch einen Hausbau oder andere Faktoren einstellen, liegen die Nerven schnell blank. Viele mittlere Manager nehmen ihr Privatleben deshalb nicht als Kraftquelle, sondern als zusätzliche Belastung wahr, wobei dies nicht am Partner, sondern an den Umständen liegt. Dementsprechend ändert sich auch nichts, wenn man den Partner wechselt.

Sie als mittlerer Manager sind mit komplexen Herausforderungen konfrontiert, die Ihre Führungskompetenz auf vier Ebenen erfordert. Zum einen sind Sie der Puffer zwischen 'unten' und 'oben'. Sie müssen hohe Vorgaben und strategische Richtungswechsel, die von oben kommen, umsetzen und erfüllen. Zugleich gehört es zu Ihren Aufgaben, Ihre einzelnen Mitarbeiter zu fordern und zu fördern sowie ein leistungsfähiges Team zu führen. Zum anderen müssen Sie auf der horizontalen Ebene mit Ihren Managerkollegen auf der gleichen Hierarchiestufe gleichzeitig kooperieren und konkurrieren. Und schließlich müssen Sie auch Ihre eigene persönliche Entwicklung ständig den unbarmherzig steigenden Anforderungen anpassen.

Aus meiner langjährigen Arbeit mit Führungskräften weiß ich, dass dieser Druck von mehreren Seiten häufig das Kernproblem des mittleren Managements darstellt. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen daher zeigen, wie Sie es schaffen können, auf allen vier Ebenen kompetent zu führen.

Jeder der Führungsebenen ist ein Teil des Buches gewidmet: Im ersten Teil erfahren Sie, wie Sie sich zu einer integren und authentischen Führungskraft weiterentwickeln, im zweiten Teil, wie Sie Ihr Team zu hoher Leistung führen; im dritten Teil erläutere ich Ihnen, wie Sie mit den Kollegen auf gleicher Ebene kooperativ umgehen, ohne sich von der Konkurrenz ausstechen zu lassen, und im vierten Teil, wie Sie Ihre Ideen und Interessen beim Vorgesetzten erfolgreich durchsetzen, auch wenn dieser ein schwieriger Charakter ist. Viele Übungen geben Ihnen Gelegenheit dazu, Ihre eigene Situation und Ihr Verhalten zu analysieren und individuelle Lösungsstrategien zu entwickeln.

Dieses Buch soll Ihnen komprimiert und praxisnah dabei helfen, souverän alle Führungsebenen in den Griff zu bekommen. Denn nur wer seine Aufmerksamkeit auf die spezifischen Herausforderungen aller vier Führungsebenen richtet, wird langfristig erfolgreich sein.

1. Teil

Führen Sie sich selbst als Führungskraft

Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Führung der eigenen Person, welches die Voraussetzung dafür ist, andere Menschen führen zu können. Ihr offizieller Titel und Ihre hierarchische Stellung machen Sie zum Vorgesetzten, aber nur Ihre Persönlichkeit kann Sie zu dem machen, was die Amerikaner einen 'Leader' nennen. Da die Übersetzung von Leader mit 'Führer' in Deutschland historisch belastet ist, haben wir keinen vergleichbaren Begriff. Am besten passt vielleicht noch das Wort 'Führungskraft' im Sinne einer Kraft, die Menschen führt, im Gegensatz zum 'Vorgesetzten', der den Menschen nur vorgesetzt wird. In den meisten Unternehmen gibt es, so verstanden, mehr Vorgesetzte als Führungskräfte. Was zeichnet eine gute Führungskraft aus? Idealerweise ist sie integer, authentisch und leistungsstark. Was diese Eigenschaften ausmacht, und wie Sie diese verstärkt ausbilden können, erfahren Sie in diesem Buchteil.

Aus meiner jahrzehntelangen Arbeit mit Führungskräften weiß ich, dass viele von ihnen sich folgende Fragen stellen:

- 'Wie kann ich trotz schwieriger Zeiten und des Drucks, der auf mir lastet, integer bleiben und meinen Überzeugungen entsprechend handeln?'

- 'Wie finde ich heraus, wo meine wahren Stärken und Talente liegen, um diese noch mehr einsetzen zu können?'

- 'Woran muss ich arbeiten, damit ich authentischer werde?'

- 'Ich habe einen 12-Stunden-Tag und kaum noch Freizeit. Wie kann ich unter diesen Bedingungen mehr Lebensfreude und Zufriedenheit in mein Leben bringen?'

Diese und weitere Fragen werden in den folgenden vier Kapiteln beantwortet. Sich mit der eigenen Person zu beschäftigen, ist eine spannende Entdeckungsreise. Nehmen Sie sich die Zeit, die ein oder andere Übung durchzuführen und über sich selbst zu reflektieren, um das zu werden, was Ihre Mitarbeiter sich wünschen: Eine integre und authentische Person, von der Menschen sich gerne führen lassen! Im nun folgenden ersten Kapitel beschäftigen wir uns mit der Frage, was integres Handeln als Führungskraft bedeutet. Sie analysieren, welche Werte Ihnen wichtig sind, und Sie erfahren, in welchen Situationen sich zeigt, wie integer Sie sind und ob Sie Ihre Werte vorleben.

Rückgrat oder Wendehals - Wie Sie als Führungskraft integer handeln

Ein Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art, wie man andere beeinflusst. Es ist die einzige.

Albert Schweitzer (Nobelpreisträger)

Als Führungskraft wünschen Sie sich, bei den Kollegen und dem Chef angesehen zu sein und von den eigenen Mitarbeitern respektiert zu werden. Für ein langfristig hohes Ansehen ist eine konstant gute Leistung sicherlich unerlässlich. Das alleine reicht aber nicht aus. Die meisten Führungskräfte möchten nicht nur als Manager, sondern auch als Mensch respektiert werden, und dazu braucht es persönliche Integrität. Was genau bedeutet es aber überhaupt, integer zu sein?

Integer zu sein bedeutet, dass Sie sagen, wofür Sie stehen, und zu dem stehen, was Sie sagen.

Die Amerikaner nennen es 'to walk the talk'. Schon im 18. Jahrhundert hat der deutsche Dichter Matthias Claudius gemahnt: 'Beurteile einen Menschen lieber nach seinem Handeln als nach Worten; denn viele handeln schlecht und sprechen vortrefflich.' Ob Sie integer sind, lässt sich also vor allem an Ihren Handlungen ablesen und weniger an dem, was Sie sagen! Wenn Sie integer sind, handeln Sie auch in schwierigen Situationen Ihren Werten entsprechend. Das erfordert manchmal Rückgrat. Doch nur so gewinnen Sie als Führungskraft an Glaubwürdigkeit bei Ihren Mitarbeitern. Wer kein Rückgrat zeigt, verhält sich wie ein Wendehals.

Das Wort 'integer' stammt aus dem Lateinischen und bedeutet 'unversehrt'. Unversehrt sind Sie, wenn Sie entsprechend Ihren Werten handeln. Viele Manager tun dies jedoch nicht. Ein alltägliches Beispiel für den Gegensatz von kommunizierten und gelebten Werten ist die Zeit für die Familie. Auf die Frage, was ihnen wichtig sei, antworten die meisten Manager 'meine Familie', wenn sie eine haben. Viele Manager sind sich also durchaus im Klaren darüber, dass die Familie für sie ein wichtiger Wert ist. Trotzdem geben einige dem Beruf immer wieder den Vorrang, bis die Familie fast oder gar tatsächlich zerbricht. Solche Widersprüche in unserem Leben führen auf Dauer zu einem Gefühl der Zerrissenheit. Wenn unser Handeln im Widerspruch zu unseren Worten steht, sorgt dies für einen Mangel an Integrität.

Der erste Schritt zur persönlichen Integrität ist, dass Sie sich bewusst machen, welche Werte Ihnen wichtig sind.

Übung

Können Sie spontan sagen, welche Werte Sie als Führungskraft leiten? Notieren Sie Ihre fünf zentralen Führungswerte:

1.

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3.

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5.

Vielen Menschen fällt es schwer, ihre zumeist unbewussten Werte ad hoc zu formulieren, einfach weil sie sich selten Gedanken darüber machen. Das sollten Führungskräfte aber tun, denn in schwierigen Situationen spontan das für sie Richtige zu entscheiden, erfordert ein klares Wertesystem, an dem sie ihre Handlungen ausrichten können. Wenn in Ihrem Kopf verschiedene Werte miteinander konkurrieren und Sie sich das nicht bewusst machen, kann dies zu Entscheidungsunfähigkeit führen. Es kann auch sein, dass, wenn von mehreren Seiten Druck ausgeübt wird, Sie der Seite nachgeben, die am meisten drängt. Das ist aber oft nicht die beste Wahl. Wenn Sie sich Ihrer Werte bewusst sind, können Sie Entscheidungen besser treffen und den gegebenen Zustand aktiv verändern.

Ihre Werte - Ein Selbsttest

Als Führungskraft erleben Sie viele Situationen, die schwierig und manchmal auch moralisch kritisch sind. Der Vorstandsvorsitzende einer großen deutschen Bank hat zum Beispiel im Jahr 2005 eine Steigerung des Reingewinns um 87 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro gemeldet und zugleich den Abbau von weltweit 6 400 Stellen bekannt gegeben. Dieser Abbau war im Vorfeld mit der Gewerkschaft vereinbart worden und wurde sozialverträglich umgesetzt. Es gab also keine Entlassungen, aber viele durch Ruhestand oder Wechsel von Mitarbeitern frei gewordene Stellen wurden nicht neu besetzt.

Was tun Sie, wenn Sie in einem solchen Unternehmen arbeiten und eine in Ihrem Bereich frei gewordene Stelle von Ihnen nicht wieder besetzt werden darf? Wie gehen Sie mit der Situation um, dass Ihre Mitarbeiter den Verlust der Stelle durch eine aus Ihrer Sicht nicht mehr akzeptable Mehrbelastung ausgleichen müssen, obwohl allgemein bekannt ist, dass es dem Unternehmen blendend geht?

Ihre Antwort wird von Ihren Werten abhängen. Wenn 'Disziplin' und 'Zuverlässigkeit' Ihre obersten Werte sind, werden Sie sich wahrscheinlich anders verhalten, als wenn diese 'Gerechtigkeit' und 'Loyalität' heißen (in dem Fall gegenüber Ihren Mitarbeitern). Falls Sie in einem Unternehmen arbeiten, dessen Kernwerte Sie nicht teilen, macht Sie das auf Dauer krank oder aber Sie stumpfen ab. Wenn Sie also nicht nur einen einmaligen, sondern einen grundsätzlichen Wertekonflikt verspüren, sollten Sie das Unternehmen unter Umständen wechseln.

Es existieren viele Lehren darüber, welche Werte besonders erstrebenswert sind. Es gibt jedoch einige wenige Werte, die universellen Charakter haben, das bedeutet, dass sie in allen Kulturen der Erde hoch angesehen sind. Diese universellen Prinzipien sind sittliche Werte, die wir in Deutschland auch Tugenden nennen. Dazu gehören zweifelsfrei die von Platon vor über 2 000 Jahren definierten vier Kardinaltugenden:

1. Weisheit (sophia)

2. Tapferkeit (andreia)

3. Mäßigung (sôphrosynê)

4. Gerechtigkeit (dikaiosynê)

Diese sind auch in die 12 Rittertugenden eingegangen, mit denen sich angehende Ritter im Mittelalter beschäftigten: Barmherzigkeit, Demut, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Glaube, Güte, Hoffnung, Liebe, Mäßigung, Stärke, Wahrhaftigkeit, Weisheit. Im Gegensatz zu damals nehmen wir uns heute oft keine Zeit, unsere Werte und unser Handeln zu reflektieren.

Der berühmte Psychologe und Überlebende des Holocaust Viktor Frankl hat einmal gesagt: 'Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.' Welche Werte leben Sie vor? Was ist Ihnen wichtig? Die folgende Übung hilft Ihnen dabei, sich Ihrer persönlichen Werte bewusst zu werden.

Übung

1. Schritt: Schauen Sie sich die in der Tabelle aufgelisteten Werte genau an und wählen Sie maximal zehn Werte aus, die Sie als Führungskraft für sich annehmen wollen und Ihnen wirklich wichtig sind. Ergänzen Sie Qualitäten, die nicht aufgeführt sind, aber für Sie persönlich eine Rolle spielen. Es geht dabei nicht darum, welche Eigenschaften Sie von Ihren Mitarbeitern erwarten, sondern was Sie diesen im Alltag vorleben wollen.

2. Schritt: Tragen Sie Ihre wichtigsten Werte (max. zehn) in Tabelle 2 in derselben Reihenfolge jeweils in die vertikale und horizontale Reihe mit den durchnummerierten Tabellenfeldern ein. Jedem Wert ist nun eine Zahl zwischen 1 und 10 zugeordnet. Füllen Sie dann die Tabelle wie im Folgenden beschrieben aus. Vergleichen Sie jeweils zwischen zwei Werten und entscheiden Sie, welcher Ihnen der wichtigere im Leben ist. Die Zahl, die für den Ihnen wichtigeren Wert steht, tragen Sie in das Koordinatenkästchen in der Tabelle ein.

Entscheidungshilfe: Falls es Ihnen schwerfällt, sich zu entscheiden, stellen Sie sich zwei Extreme vor:

Beispiel: Wert Nr. 2 ist 'Loyalität', Wert Nr. 3 steht für 'Disziplin'. Stellen Sie sich nun die Frage: Was wäre mir lieber, eine Führungskraft zu sein, die loyal gegenüber ihren Mitarbeitern ist, aber nicht diszipliniert, oder eine disziplinierte Führungskraft zu sein, die gegenüber ihren Mitarbeitern nicht loyal ist?

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