Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung

Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung

von: Gudrun Faller (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456951348

Sprache: Deutsch

426 Seiten, Download: 21134 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung



Betriebliches Gesundheitsmanagement: Potenziale und Grenzen

In einer kritischen Bestandsaufnahme des oben beschriebenen Problems einer überwiegenden Verhaltensprävention in Betrieben plädieren Badura et al. (1999: 17) für die Verwendung des Begriffs des Betrieblichen Gesundheitsmanagements: «Betriebliche Gegeschehen (z.B. zeitlich begrenzte Durchführung von Gesundheitszirkeln). Im Unterschied dazu verstehen wir unter betrieblichem Gesundheitsmanagement (Hervorh. i. Orig.) die Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit, Organisation und dem Verhalten am Arbeitsplatz zum Ziel haben und den Beschäftigten wie dem Unternehmen gleichermaßen zugute kommen»1. Seitdem unterstreichen zahlreiche Praktiker und Experten die Qualität ihres Vorgehens durch die Verwendung des Begriffs «Gesundheitsmanagement» – wobei unbestritten sein dürfte, dass der bloße Ersatz einer Bezeichnung weder eine konzeptionelle Neuorientierung noch eine Optimierung der Vorgehensqualität darstellt.

Gleichwohl hat die Einführung des Managementbegriffs in das Betriebliche Gesundheitshandeln zur Auseinandersetzung mit einschlägigen Qualitätsanforderungen angeregt. So betonen BGM-Konzepte, denen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Anforderungen an Betriebliches Gesundheitshandeln zugrunde liegt, beispielsweise (vgl. Faller 2008a):
1. die Notwendigkeit der Verankerung des Gesundheitsgedankens als Leitvorstellung bei den obersten Entscheidungsträger/inne/n wie auch auf allen nachgeordneten Führungsebenen (z.B. Westermayer/Stein 2006: 123 «salutogenetic management»)
2. die Ausrichtung des eigenen Führungshandelns an den Prämissen eines gesundheitsgerechten Vorbildund Personalleitungsideals (z.B. Nieder 2000)
3. die Bedarfsund Zielorientierung von Interventionskonzepten, die Systematik des Vorgehens und die Erfolgsmessung gemäß der Logik des Managementzyklus (Schrader 2002; Walter et al. 2002)
4. die Integration von Gesundheitszielen in die allgemeinen Betriebsabläufe und -entscheidungen (z.B. Badura/Hehlmann 2003)
5. die Anschlussfähigkeit des Gesundheitsanliegens an thematisch benachbarte betriebliche Aufgabenbereiche wie z.B. die Personalverwaltung und -entwicklung, das Qualitätsmanagement oder den Arbeitsschutz (z.B. Wienemann 2012).

Wie diese Zusammenstellung zeigt, macht der Managementbegriff vor allem deutlich, dass eine Verwirklichung salutogener Arbeitsbedingungen keinesfalls ohne strukturelle und institutionelle Verankerung und ohne ein schlüssiges und gezieltes Interventionsdesign im Unternehmen möglich ist. Betriebliches Gesundheitsmanagement, im Sinne der hier beschriebenen Zugänge, stellt ein zentrales Element gelingenden Gesundheitshandelns einer Organisation dar, und es setzt auf Seiten der Entscheidungsträger ein Mindestmaß an Unterstützung und Überzeugung voraus. Trotz der Potenziale, die ein managementorientiertes Verständnis von Betrieblicher Gesundheitsförderung birgt, lassen sich bei der Übertragung des Managementbegriffs auf das Thema «Gesundheit im Betrieb» aus Sicht eines systemischen und ressourcenorientierten Gesundheitsverständnisses.

Sind gesundheitsfördernde Entwicklungsprozesse steuerbar?

«Mit Management bezeichnet man die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des Unternehmens und seiner Teilbereiche» (Birker 2005: 262). Gemäß der in der Managementlehre bekannten Differenzierung nach normativer, strategischer und operativer Ebene lassen sich Entscheidungen in einer Organisation dadurch umsetzen, dass das normative Management zunächst globale und eng an die grundsätzliche Unternehmensphilosophie anknüpfende Ziele formuliert. Diese werden im strategischen Management präzisiert und auf die erforderlichen Aktivitäten ausgerichtet, während das operative Management die vorparadigmas die Realisierbarkeit entsprechend mechanistischer Vorstellungen in Frage stellen (z.B. Becker/ Langosch 2002; Grossmann/Scala 2006), vermitteln manche «Handlungshilfen für BGM» gelegentlich den Eindruck, dass es lediglich um das Anwenden der richtigen Planungs-, Steuerungsund Methodentools im Rahmen eines top-down-initiierten Vorgehens ginge. Die Gefahr besteht darin, dass Hoffnungen auf eine einfache Erreichbarkeit optimierter Mitarbeitergesundheit und -motivation geweckt, und damit Machtvorstellungen und Selbstideale mancher Entscheidungsträger bedient werden.

Vernachlässigt werden dabei aber Hinweise auf die Komplexität, den Zeitbedarf und die charakteristischen Schwierigkeiten einer tiefer gehenden Transformation von Organisationen (vgl. Wimmer 1999). Zu den Grundvoraussetzungen gelingender Veränderung gehört, dass Motive und Veränderungswünsche betriebsöffentlich kommuniziert werden und Entscheidungsträger/ innen sich nicht nur als Impulsgeber verstehen, sondern selbst zur Veränderung in den Führungsverhältnissen bereit sind. Beteiligungsprozesse nehmen Zeit in Anspruch und sie er höhen die Wahrscheinlichkeit, dass bisher la Machbarkeit freisetzt, die mit dem Anspruch gesundheitsfördernder betrieblicher Veränderungsmöglichkeiten schlecht zu vereinbaren sind. Dies bedeutet keineswegs, dass auf die fachlich fundierte Konzeption von Veränderungsdesigns oder auf die zielgerichtete Steuerung von Veränderungsprozessen verzichtet werden kann oder sollte, aber es ist nicht vertretbar, wenn der Eindruck vermittelt wird, Betriebliche Gesundheitsförderung sei ohne die Veränderungsbereitschaft auf sämtlichen betrieblichen Ebenen einschließlich aller Managementebenen möglich.

Sind Unternehmensund Beschäftigteninteressen grundsätzlich in Übereinstimmung zu bringen?

Ein zweiter, mit dem vorherigen in Zusammenhang stehender Kritikpunkt bezieht sich auf die Frage nach der prinzipiellen Vereinbarkeit unternehmerischer Interessenslagen mit der Mitarbeitergesundheit. Diese Problematik wurde bereits in Zusammenhang mit den Konzepten Betrieblicher Gesundheitsförderung angeschnitten, in Zusammenhang mit dem Begriff des Gesundheitsmanagements erhält sie aber eine besondere Prägnanz. Denn mit dem Gesundheitsmanagement, das mit betriebsökonomischen Überlegungen argumentiert, verbindet sich ein Veränderungsrahmen, der zwar Beteiligungsund Entwicklungsprozesse ermöglicht – diese jedoch nur insoweit zulässt, als sie durch eine optimierte Verfolgung von Betriebszielen legitimiert sind. Mit anderen Worten werden Partizipation, Handlungsund Entscheidungsspielräume im Unternehmen nur insofern geduldet, als sie zur Erhöhung der …

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